Hallo in die Runde!
Allmählich beginnt dann die spannende Phase, wenn es darum geht, ob sich noch "rechtzeitig" für den meteorologischen Winter (also bis Ende Februar) eine so starke schnelle stratosphärische Erwärmung (SSW) entwickeln wird, dass das Februarwetter davon noch maßgeblich beeinflusst wird. Das wäre nur dann der Fall, wenn es zu einem Major SSW käme. Und selbst wenn es zu einem Major SSW kommen sollte, bedeutet das nicht, dass wir in Mitteleuropa bezüglich Winterwetter maßgeblich davon profitieren würden. Dies wäre nur dann sicher der Fall, wenn aus diesem Major SSW zusätzlich ein Polarwirbelsplit entstehen würde und die Positionen der beiden Wirbel dann so liegen, dass wir auf die kalte Seite gelangen würden. Nun muss man wissen, dass es bisher seit Aufzeichnungsbeginn in nur 20% der Fälle eines erreichten Major SSW auch zu einem Polarwirbelsplit kam.
Bedeutet also, die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch einen Major SSW bekommen liegt statistisch schon nur bei 15% bis Mitte März, bis Ende Februar sogar nur bei 10%. Da sich daraus nur zu 20% auch ein Polarwirbelsplit entwickelt hat in der Vergangenheit, ist die Wahrscheinlichkeit für einen SSW mit Polarwirbelsplit bis Mitte März bei nur 3%, bis Ende Februar bei nur 2% Wahrscheinlichkeit - statistisch jedenfalls. Somit sollten wir unsere Erwartungen diesbezüglich mal ganz, ganz niedrig ansetzen - nahe Null!
Naja, das ist das, was wir anhand von Statistiken und aufgrund Wahrscheinlichkeitsprognosen gemittelt aussagen müssen. Im Klartext: wer etwas anderes vorhersagt, ist ein Scharlatan oder ein Selbstdarsteller oder einfach nur ein Wichtigtuer. Das gilt natürlich auch (oder besonders?) für die Damen der Wetterzunft.
Da mein Ruf diesbezüglich ja eh schon vorfestgelegt wurde (siehe J.K. & Co), erlaube ich mir mal den Spaß und präsentiere Euch, gegen alle Vernunft aller Besser-Wissenden, die Rechenergebnisse meines kleinen Wetterprogramms zu diesem Thema. Ihr wisst ja schon, dass es ein experimentelles Modell ist und sich noch in der Testphase befindet. So sollten die Erwartungen an ein Eintreffen der Prognose nicht all zu hoch angesetzt werden. Genug der vorauseilenden Entschuldigungsversuche, falls es völlig in die Hose geht. Denn ich habe nicht die Absicht, ein errechnetes Ergebnis, das nicht eintrifft, zu entschuldigen, da es überhaupt kein Modell gibt, dass uns über die zukünftige Entwicklung eine auch nur annähernd sichere Prognose abgegeben könnte, schon gar nicht eine Aussage zu einem Major SSW und noch weniger zu einem nachfolgenden Polarwirbelsplit daraus. Also kann ich es entspannt angehen, lernend auswerten und abgleichen und hoffentlich anschließend schlauer geworden sein. Na denn:
Die von mir bereits vor Wochen angekündigte rasche Erwärmung in der oberen Stratosphäre zum Monatsende Januar/Monatsanfang Februar wird nun auch von den beiden Stratosphärenmodellen von ECMWF und GFS berechnet. Der erste Wärmeschub aus der Mesosphäre erfolgt nun pünktlich zum Monatswechsel in die 01 hpa-Ebene. Mein kleines Modell hatte das also richtig erfasst, was doch schon sehr erfreulich ist. Dieser Schub wird 4-5 Tage anhalten, dann wieder abklingen. Der Wärmeschub propagiert (wirkt) nach und nach in die tiefer gelegenen Schichten der Stratosphäre, immer leicht zeitversetzt, bis die Wärmeenergie aufgebraucht ist. Danach erfolgt der zweite Schub aus der Mesosphäre...
Da die Temperaturen in der oberen Stratosphäre und auch darunter aktuell deutlich unter dem Durchschnitt der langjährigen Werte liegen, haben es Erwärmungsschübe schwerer, sich weit nach unten durchzusetzen. Die Wärme wird in den oberen Etagen aufgebraucht. Ähnliches ist auch über den Zonalwind zu sagen, der nach wie vor recht stramm auf West liegt. Ein Major SSW will per Definition jedoch eine Zonalwindumkehr von 01 bis mindestens 10 hpa, härtere Definitionen auch bis runter in 30 hpa. Gekoppelt jeweils mit einem positiven Temperaturgradienten in der jeweiligen Stratosphärenhöhe. Das sind schon Voraussetzungen, die nur selten erfüllt werden, besonders dann, wenn die Temperaturen so hoch liegen wie derzeit. Das kann folglich nur funktionieren, wenn die Wärmeschübe besonders ausgeprägt, also energiereich sind. Ausgelöst wird die Wärmeentwicklung durch vertikal nach oben wirkende Schwerewellen, die dann polseits reflektiert werden müssen. Solche Bedingungen sind dann gegeben, wenn sich in der Troposphäre bestimmte Druckkonstellationen ergeben haben. Wichtigste Voraussetzung sind starke Druckanomalien in exponierten Regionen. Bekannt sind folgende Regionen: Atlantik zwischen Neufundland und Großbritannien, Aleuten und Sibirien, aber auch - neuerdings in der Wissenschaft unter besonderer Beobachtung - das Gebiet beim Ural. Beste Voraussetzungen für langwellige vertikale Schwerewellen werden durch Hochdruckanomalien erzeugt. Aber auch Tiefdruckanomalien können steil ausgerichtete Schwerewellen auslösen. Alles darüber ist noch lange nicht bekannt und man wird noch lange zu diesem Thema forschen müssen, da die Fallzahlen sehr niedrig sind und man viele Jahre benötigt, um abgesicherte Aussagen treffen zu können... Die Umwandlung von der Energie der Schwerewellen zu Wärmeenergie benötigt dann aber noch Ozon und einige andere chemische Substanzen. Durch Spaltung von Molekülen erst wird Wärme freigesetzt, aus der dann die plötzliche Erwärmung resultiert. Somit ist auch bedeutend, wie hoch die Konzentration von Ozon in den Höhenschichten der Stratosphäre ist. Bisher haben wir noch keine höhere Konzentration von Ozon in der oberen Stratosphäre feststellen können. So lässt sich derzeit in Summe sagen, dass alle wichtigen Parameter gegen einen erfolgreichen Major SSW sprechen.
Das ändert sich jedoch mit dem ersten kräftigen Schub langwelliger vertikaler Schwerewellen, die aus der Mesosphäre nun in die obere Stratosphäre polwärts reflektiert wird. Die folgende rasche Erwärmung durch das vorhandene Ozon bewirkt eine veränderte Dynamik in der Verteilung der Ozonanteile in den verschiedenen Höhen der Stratosphäre. Im Ergebnis wird Ozon aus weiter unten liegenden Schichten in die Höhe verbracht, was dann zu einem Anstieg führt und die Voraussetzung ist für eine noch stärkere Erwärmung beim nächsten Schub aus der Mesosphäre. Nachschub an Ozon wird aus der Troposphäre generiert, wenn sich die Tropopause (Trennschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre) aufgrund von kräftigen Hochdruckanomalien und auch kräftigen Tiefdruckanomalien faltet und an den Rändern der Faltungen durchlässig wird...
Mein kleines Modell hat anhand der Konstellationen in der Troposphäre die vertikalen Schwerewellen berechnet, ebenso die Ozonzufuhr und die nachfolgende Verteilung von Ozonanteilen in den verschiedenen Höhen der Stratosphäre. Im Ergebnis dieser Berechnungen soll sich (wie schon von mir angesprochen im Thread) bis zum 15. Februar kein Major SSW ereignen können. Dabei bleibt es auch weiterhin. Da mein Modell jetzt bis zum Monatsende Februar gerechnet hat, lässt sich nun auch erkennen, wann die höchste Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich ein Major SSW ereignen
könnte.
SSW:
Den Berechnungen zufolge ist dies im Zeitraum vom 17. bis zum 24. Februar zu erwarten, höchste Wahrscheinlichkeit liegt auf dem 20. Februar. Ob die härteren Kriterien für die 30 hpa-Definition erreicht werden können, ist allerdings fraglich. Das Modell erkennt zwar eine Windumkehr auch in 30 hpa ganz knapp und ebenso knapp die notwendige Temperaturentwicklung, aber das genügt nicht, um eine klare Aussage treffen zu können. Die Wahrscheinlichkeit beträgt daher für die 30 hpa-Kriterien nur knapp unter 50 %, für die 10 hpa-Kriterien immerhin 75%.
So bleiben schon hier genug Unsicherheiten vorhanden. Noch schwieriger ist es, aufgrund der um den 20. Februar berechneten Konstellationen in der Troposphäre und der Stratosphäre in den unteren und mittleren Schichten, eine Aussage zu treffen, ob sich im Falle eines erfolgreichen Major SSW auch noch ein Polarwirbelsplit einstellen wird. Darüber habe ich nun einige Tage intensiv nachgedacht und auch noch ein neues Programm-Modul erstellt, das nur die Entwicklung eines Polarwirbelsplits in der Stratosphäre simulieren soll aufgrund von berechneten Ausgangsdaten, die sich aus dem Modell ergeben. Dabei werden 4 verschiedene Berechnungen geführt, die jeweils andere Schwerpunkte definieren: mittlere Stratosphäre, untere Stratosphäre, obere Troposphäre, untere Troposphäre. Die 4 Berechnungen werden in mehreren Schritten final zu einer Gesamtberechnung zusammengefügt, die dann das wahrscheinlichste Ergebnis definieren soll. Auch diese Berechnungen sind neu und nicht erprobt, es ist der Jungfernlauf gewesen. Interessant sind allein schon die unterschiedlichen Ergebnisse bei Betrachtung der 4 Einzelberechnungen. Richtig spannend ist dann aber das wahrscheinlichste Resultat.
PWS:
Und das sieht -
wenn sich ein Major SSW einstellen sollte - zu 75% auch einen kräftigen Polarwirbelsplit in der Stratosphäre von 10 hpa bis ganz runter in die Troposphäre entstehen. Zeitbedarf dafür nur 4 Tage, so dass ein möglicher Polarwirbelsplit dann mit höchster Wahrscheinlichkeit zum 24. Februar anzusetzen wäre in einem Gesamtzeitfenster zwischen dem 21. und 28. Februar 2018. Interessant auch deshalb, weil mein kleines Modell - ohne das extern laufende Modul für die Berechnung eines Polarwirbelsplits - für die Troposphäre und die untere Stratosphäre ebenfalls eine kräftige Wirbelteilung für den 26. Februar berechnet hat. Zumindest widersprechen sich die Ergebnisse hier nicht.
Aber meine Lieben, bedenkt bitte, das sind experimentelle Berechnungen und bisher noch nie so durchgeführt worden. So sollte man das alles auch betrachten: als Experiment!
Trotzdem kann man sich aber fragen, was würde das für uns bedeuten können,
wenn es so käme?
Der Zeitpunkt für die beiden angesprochenen Möglichkeiten liegt noch weit vor uns. Der meteorologische Winter ist Ende Februar beendet, so dass der Einfluss auf den Gesamtwinter nicht hoch sein kann. Die Umstellungen in der Troposphäre allerdings beginnen schon viel früher, also nicht erst mit dem abgeschlossenen Polarwirbelsplit. Zuvor werden sich Auswirkungen zeigen, wenn sich der stratosphärische Polarwirbel nach und nach abschwächen wird. Das hat auch Auswirkungen auf den troposphärischen Polarwirbel. So wird es keine weitere Vertiefung mehr geben nach dem 05. Februar, was bedeutet, dass die Kaltluft nicht mehr weiter konzentriert wird, sondern die Neigung zu verstärkten Kaltluftausbrüchen zunimmt. Wir werden das erstmals ab dem 05./06. Februar erfahren können. In der Folge wird sich zum kräftigen Polarwirbelzentrum bei Grönland bald ein zweiter Dipol entwickeln (ab 08./09.Februar), der erst über Westrussland, dann östlich wandernd bis Sibirien liegen wird. Als Ausgleich zu den Druckdifferenzen wird sich über Europa Hochdruck aufbauen. Wesentlich für die Schwerewellen-Entwicklung wird dabei auch Hochdruck am Ural (+südlich davon) entstehen. Die Atlantiktiefs werden nicht mehr direkt zu uns geführt, sondern zunehmend nach Norden umgeleitet. Nicht unwahrscheinlich auch: Kaltlufttropfen gelangen über eine sehr südliche Zugbahn dennoch bis ins Mittelmeer (ab dem 12. Februar möglich)...
Wie kalt es hier bei uns wird, hängt davon ab, ob wir länger in den Zustrom kontinentaler Festlandsluft = Ost, Nordost gelangen. Vermutlich wird es nicht übermäßig kalt werden, ich vermute nur Durchschnitt zum langjährigen Mittel, eher sogar etwas milder.
Schnee und andere Witterungsereignisse überlasse ich besser den Wettermodellen, da ich Detailwetter mit der groben Auflösung des Modells für uns nicht wirklich zuordnen kann.
Abschließend noch ein Überblick über die aktuelle Ausgangslage, was die Temperaturen ganz oben in der Stratosphäre angeht. Die sehen nämlich so aus für den 27.01.2018 01 hpa:
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in 10 hpa:
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und in 30 hpa:
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Wir sehen überall niedrigere Temperaturen zum langjährigen Mittel (gepunktete grüne Linie).
Damit man sich vorstellen kann, was ein SSW (Minor und auch (!) Major) bewirken kann für unsere Temperaturen/für unser Winterwetter, zeige ich vergleichend die folgenden Jahre oben in 01 hpa. Ihr könnt ja mal schauen, wie sich das in den Monatswerten bei uns ausgewirkt hat (siehe Archiv bei Bernd Hussing Link ist nur fuer registrierte User sichtbar.
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Man beachte auch die rasante Entwicklungen der Temperaturen (Spitzen nach oben = SSW) in 2009:
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2010:
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2012:
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2013:
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Von der Ausgangssituation sieht das Jahr 2009 recht ähnlich aus zu dem aktuellen Jahr, finde ich. Mal sehen, was draus wird!
So, Mamutbeitrag fertig.
Hoffe, ich habe nichts vergessen.
Das war dann ziemlich sicher auch meine letzte große Vorausschau im Forum. Bald seid Ihr mich los. Ende Februar geht es in die USA, nicht zu Trump, nö zur Arbeit.
Ich freue mich riesig darauf, meine Tochter, naja, auch ein wenig...
Lieben Gruß in die Runde - wenn Fragen sind, nur raus damit!