25.11.2022, 09:57
Heinrich schrieb:...
Wir sehen ein mächtiges Aleutenhoch, welches den Polarwirbel deutlich verschiebt (man muss wohl schon wieder von einem Displacement ohne SSW sprechen). Und die Verschiebung des Polarwirbels auf die östliche Hälfte der Hemisphäre ist in dieser frühen Phase zum Winterbeginn ein untrügliches Zeichen für winterliche Verhältnisse in Mitteleuropa. So jedenfalls schaut es heute aus. Könnte der Anfang sein für einen interessanten Dezemberwinter. Könnte, Chance also vorhanden. Man wird sehen...
Grüßt Euch!
Gestern haben sich die Profis vom DWD zum oben zitierten Thema in der Stratosphäre sehr ausführlich geäußert und einen mehr als interessanten Bericht verfasst. Den Teil zur Stratosphäre kopiere ich deshalb zur Gänze, um jederzeit diese Informationen abrufen zu können. Quelle: Link ist nur fuer registrierte User sichtbar. registrieren oder login.
Zitat:S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 24.11.2022 um 10.30 UTC
Übergang zu einer ruhigen Hochdruckrandlage, kaum noch Niederschlag,
zurückgehende Temperaturen und in den Nächten vielfach mäßiger Frost.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 01.12.2022
In der heutigen Mittelfrist vom Sonntag, den 27.11 bis Donnerstag, den 01.12.
(inklusive der erweiterten Mittelfrist Anfang/Mitte Dezember) gibt es einiges an
Bewegung mit Blick auf die Nordhemisphäre, die jedoch nicht notwendigerweise
(zeitnah) in eine warnintensive Mittelfrist für Deutschland mündet.
In der Folge ein kurze technische Diskussion mit Blick auf die Nordhemisphäre.
Die Entwicklung der Mittelfrist in Deutschland wird im nächsten Abschnitt
beschrieben, sodass dieser Abschnitt hier auch übersprungen werden kann.
Die seit mindesten Mitte November agierende Blockierung im skandinavischen Raum
lief Hand in Hand mit einer teils rekordverdächtigen (Geopotenzial/Schichtdicke)
Blockierung im Bereich Alaska/Kanada in Form einer deutlich negativen
"Pazifik/Nordamerika Oszillation, PNA" (die allerdings wegen einer zu östlichen
Positionierung im Mittel auf einen berechneten Wert in Nähe der Nulllinie
herauslief). Von dieser skandinavischen Blockierung ausgehend ergaben (und
ergeben sich immer noch) zwei Entwicklungen.
Die erste ist in Richtung Asien gerichtet. Durch die Blockierung in Skandinavien
wurden im asiatischen Sektor vertikale Wärmeflüsse initiiert, die aktuell für
eine Antizyklone in der Stratosphäre (10 hPa) sorgt, die während dieser
Mittelfrist vom asiatischen Sektor zügig weiter in den nordpazifischen Sektor
wandern soll (schwaches "displacement/Versetzung" des Polarwirbels in der
Stratosphäre in Richtung kanadisch-arktisches Archipel).
Als Folge der Blockierung im Bereich Skandinavien/Karasee setzt nun eine
verstärkte cross-polare Strömung ein mit einer sukzessiven Intensivierung und
Ausdehnung der blockierenden Antizyklone über Skandinavien in Richtung Russland
gerichtet. Man kann es sich so vorstellen: die blockierende Antizyklone sorgt
für eine Schwächung des Polarwirbels, aus dem nun Kaltluft polaren Ursprungs
ausfließen kann.
Somit wird besonders der zentrale und östliche eurasische Bereich zunehmend mit
arktischer Kaltluft geflutet, was während dieser Mittelfrist (zum Monatsende)
erwartet wird. Dies ereignet sich rund 1.5 bis 2 Wochen nach Blockierungsbeginn
und liegt somit voll im Zeitplan.
Die Kaltluftadvektion mit stark negativen Temperaturanomaliewerten u.a. in 850
hPa wird für Ende November im ostasiatischen Sektor recht homogen gezeigt. Mit
Annäherung dieser eisigen Luftmassen an den Nordwestpazifik nimmt die
Baroklinität zu, was letztendlich die Intensität des Nordpazifik- Jets erhöht.
Wer tiefer in die Materie einsteigt muss auch berücksichtigen, dass durch diese
Entwicklung ein positiver ostasiatischer Gebirgsdrehmoment resultiert, was man
sich so vorstellen kann: Durch die Kaltluftadvektion steigt der Bodendruck
signifikant in weiten Bereichen Asiens an, was durch diese geometrische
Ausrichtung zu einer Druckgradientkraft führt, die quer über das Himalaya
gerichtet gegen die Erdrotation gerichtet ist. Die Abbremsung wurde in Messungen
je nach Intensität im Bereich 10 hoch -3 ermittelt, also kaum messbar. Dennoch
resultiert ein Ausgleich in Form einer Zunahme des Impulses in die Atmosphäre,
was neben der Baroklinität in periodischen Abständen auch die zonalen Winde im
Jetniveau erhöht (siehe u.a. Weickmann, 1994)).
Letztendlich sorgen all diese Entwicklungen (+ die nachfolgend kurz beschriebene
Entwicklung der Madden-Julian Oszillation, MJO) rund 1.5 bis 3 Wochen nach
Initiierung im skandinavischen Sektor für die Entwicklung einer negativen
Geopotenzialanomalie entlang der Aleuten. Dies wiederum ermöglicht eine
Erneuerung/Intensivierung der negativen "Pazifik/Nordamerika Oszillation, PNA",
die laut aktueller Vorhersage Hand in Hand geht mit anhaltender Blockierung im
skandinavischen Sektor. Und schon schließt sich der Kreis, denn dadurch wird der
Polarwirbel auch von diesem Sektor aus gestört.
Aber die Störung im skandinavischen Sektor breitet sich derweilen nicht nur in
Richtung Asien aus. Solche Blockierungslagen im skandinavischen Sektor wandern
nicht selten retrograd nach Westen und leiten dadurch eine negative NAO
Entwicklung ein. Dies deutet vor allem GEFS an, wird jedoch auch vom IFS-ENS
teilweise mitgetragen, das die Blockierung letztendlich nördlicher ansetzt. Die
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Wetterregimes im IFS-ENS deutet eher in
Richtung nördlich ansetzender Blockierung mit Weiterentwicklung zu positiver
NAO.
Die zunehmende Wahrscheinlichkeit weit im Norden ansetzender Blockierungen
resultiert auch aus dem tropischen "forcing" in Form einer mäßig ausgeprägten
MJO Welle, die nun mit variabler Amplitude in Phase 7 wandert. In diesem Bereich
wird statistisch gesehen im europäischen Sektor zunehmend die negative NAO
favorisiert. Je nach finaler Amplitude könnte also hier noch ein zusätzliche
Unterstützung aus dem tropischen Sektor kommen (MJO verstärkt meridionale
Wärmeflüsse mit Wellenzug, der in Aleutentief mündet, was momentan in
Vorhersagen u.a. durch sehr hohe Standardabweichungen der Wärmeflussanomalien
bis 200 hPa hervorgehoben wird). Dieser Input ist zeitlich gesehen begrenzt und
es bleibt nun abzuwarten, inwieweit neue Wärmflüsse den Polarwirbel in der
Stratosphäre angreifen. Aus heutiger Sicht sehen die aktuellen
Ensemblevorhersagen u.a. vom IFS-ENS eine rasche Erholung des Polarwirbels in
Richtung Dezember, allerdings mit hoher Streuung der Member.
Das alles zeigt in beeindruckender Weise, wie komplex aus einer Blockierung
zirkumpolar Reaktionen hervorgerufen werden, die wiederum den Polarwirbel stören
können. Wiederholungen dieser Prozesse sorgen dann manchmal zu erheblichen
Auswirkungen beim Polarwirbel, wovon wir momentan aber noch weit entfernt sind.
...
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy / Thomas Schumann
Nun ergänze ich das Geschriebene des DWD noch mit einigen Karten aus der Stratosphäre von GFS,
Quelle jeweils: Link ist nur fuer registrierte User sichtbar. registrieren oder login.
Zunächst schauen wir oben in die 10 hpa der Stratosphäre, wo sich zum Monatswechsel hin ein mächtiges Aleutenhoch zeigt, das den Polarwirbel stark verdrängt (hin zu einem Displacement). Hier für den 29.11.2022:
29.11.22 Aleutenhoch gfs_z10_nh_f120.png (Größe: 93,47 KB / Downloads: 314)
Diese Konstellation bleibt aber nicht so bestehen, sondern es kommt nun zu starken Turbulenzen, da der Polarwirbel kräftig angegriffen wird. Um den Nikolaustag entwickelt sich in der untersten Etage - und somit auch in der Troposphäre - ein kräftiges Blocking, das von Norden her beginnend sich immer mehr auf den Ostatlantik ausweitet in Form eines mächtigen Hochdruckgebietes und dann am 06.12.2022 (just in right time?) die britischen Inseln einverleibt und dann bis nach Grönland Raum erobert:
Nikolaus 2022 gfs_z100_nh_f288.png (Größe: 103,79 KB / Downloads: 313)
Man sieht einen Polarwirbel, der an seiner "Form" arbeitet oder bearbeitet wird. Wir kommen dadurch ab Monatsbeginn Dezember zunehmend unter Hochdruckeinfluss und mit der Ausdehnung der Hochdruckzone über den britischen Inseln auch zunehmend in die Zufuhr immer kälterer Luftmassen. Hochdruck steht allerdings grundsätzlich für wenig Niederschläge, was aber in der echten Welt oft durch Höhentiefs im wahrsten Sinne des Wortes unterwandert wird. Dazu muss man sich dann aber die troposphärischen Wetterkarten anschauen, was ich hier aus Zeitgründen nicht machen kann. Vielleicht findet jemand Zeit und Lust, dieses Thema hier mit entsprechenden Karten zu vertiefen??!!
Weiter in der Stratosphäre. Die skizzierte Entwicklung mit Blockinglagen wird keine Eintagsfliege bleiben. Dafür sind die Störungen im stratosphärischen Polarwirbel einfach zu kräftig und nachhaltig. Im Gegenteil dürfte sich die atlantische Blockierung durch Hochdruck Grönland-GB-Azoren noch weiter verstärken und sich vermutlich sogar bis (mindestens?) zur Monatsmitte Dezember halten können. Ein berechneter Schnappschuss vom 10.12.2022 deutet das an:
10.12.2022 Blocking gfs_z100_nh_f384.png (Größe: 105,79 KB / Downloads: 320)
Sollte sich GFS und meine Einschätzung da nicht arg verrechnet haben, dann steht uns im Dezember eine Wetterphase an, die unseren Energieverbrauch leider deutlich ansteigen lassen wird. Es ist bei einer so langen Phase damit zu rechnen, dass Kaltlustmasse aus der Arktis oder sogar kontinentale Kaltluftmasse aus Russland bis zu uns gelangen und bei uns für frostige Temperaturen sorgen. Ob das (nur) Kahlfrost wäre oder mit Schneedecke, das muss man regional und europaweit aus den troposphärischen Wetterarten herauslesen...
Ich sag es mal so: es bahnt sich eine erste Hälfte Dezember an, die wettertechnisch bei uns die Bezeichnung "Winterwetter" verdient hätte, vielleicht kann daraus aber auch noch mehr werden und dann ist es sicher nicht für alle lustig oder erstrebenswert (siehe Energiekosten, Gasspeicher etc.). Als Appetithappen soll es das für heute von meiner Seite aus sein. Was meint Ihr dazu, wie ist Eure Stimmung zum möglichen Wintereinbruch im Dezember?
Bestimmt demnächst wieder mehr zum Thema von mir.
Die Diskussion sei eröffnet!
Meinen Gruß!