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Normale Version: Diskussionen rund um den Polarwirbel 2022/23
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Alle Jahre wieder...

Grüßt Euch, es ist wieder Polarwirbelzeit und ich habe gesehen, bisher hat niemand einen neuen Thread aufgemacht, also hier soll er es werden:

Eigentlich könnte ich meinen Beitrag vom letzten Jahr hier an diese Stelle kopieren, denn die Ausgangslage ist im Groben so, wie letztes Jahr. Lohnt sich dann dennoch ein Beitrag, der über das einfache Kopieren hinaus geht? Vielleicht ja, denn trotz aller Ähnlichkeiten zum Vorjahr, es gibt ein paar Differenzen, die mal näher beleuchtet werden sollten.

Zur Ausgangslage:

wir haben im ENSO-Gebiet schon wieder eine La Nina, die Dritte in Folge. Man spricht dann auch von einer "Super La Nina", da diese dritte Wiederholung in direkter Folge nur selten vorkommt. Zudem brachte die letzte "Super La Nina" uns einen insgesamt recht kalten Winter. Naja, heute wäre es ein echt kalter Winter, denn wir sind das ja gar nicht mehr gewöhnt. So sieht es aktuell und in den drei Vormonaten im ENSO-Gebiet aus mit den Temperaturen im Ozean im Tiefenwasser (blau ist kälter als durchschnittlich):

[attachment=44674]

Hübsch kühl und das dauerhaft. Wird wohl auch noch eine Weile so bleiben bis über den Winter hinaus.
Das bedeutet was? Richtig, die kalte La Nina kühlt global die Temperaturen etwas. Bei uns in Mitteleuropa gilt nach wie vor ein Zeitverzug zu den Temperaturen im ENSO Gebiet von 3-4 Monaten, wenn denn die Abkühlung überhaupt bei uns zu verspüren ist. Also nach diesem "Adam Riese" wären alle Wintermonate Dezember bis Februar unter einem eher kühlenden La Nina-Stern zu sehen.

Was ist mit der wichtigen Schlüsselposition für das Winterwetter Grönland los dieses Jahr?
Da kann man vermelden, dass Grönland in dieser im Oktober gestarteten Saison einen klasse Start hingelegt hat, was die Schneebilanz, also Neuschnee Versus Schmelze, angeht. Hier das Beweisfoto:

[attachment=44675]

Das ist an der oberen Grenze jener Werte, die bisher gemessen wurden in den letzten Jahrzehnten. Übrigens, auch das Vorjahr sah nicht schlecht aus, was diese Bilanz angeht (siehe die Linie in der Grafik).
Was bedeutet das nun wieder?
Nun, der Neuschnee der letzten Tage und Wochen setzt ja bekanntlich beim Abkühlen der Schneetemperatur viel potentielle Energie frei, hauptsächlich Wärmeenergie. Und so ist es wenig verwunderlich, dass die Temperaturen über Grönland nach jedem großen Neuschneeschub nach oben ausschlagen. So dann auch wieder aktuell und in den nächsten Tagen. Aufsteigende Wärme verursacht Hochdruck. Hoch Grönland - na jetzt dämmert es - zaubert den Winterfans gern ein Lächeln ins Gesicht, denn das verspricht eine sogenannte Atlantikblockade und die steht im Winter für eine gestörte Zirkulation und damit für Chancen auf Winterwetter... Na gut, noch ist Herbst und der Winter noch in der Zukunft, aber man beachte dennoch: Grönland als Schlüsselposition macht aktuell kein schlechtes Spiel.

Dann das Mittelmeer, tja, wie fast schon Routine: viel zu warm! Da ist so viel Energie gespeichert, die will im Winter ja irgendwo hin. Das könnte für die Alpenregionen mitunter zum echten Schneeproblem werden, wenn sich mal richtig kalte Luft in den Süden bewegen sollte. Also auch hier keine wirklich schlechten Karten.

Und so kommen wir dann zum stratosphärischen Polarwirbel, der in diesem Jahr wieder gut ausgebildet ist, gut vertieft und auch reichlich mit Kaltluft gefüllt oben in der Stratosphäre. Es ähnelt schon dem Vorjahr und hier wäre dann einfach eine Kopie zum Vorjahresbeitrag nicht abwegig. Doch - wie immer - nichts wiederholt sich beim Wetter wirklich ein zu eins. Wieder haben wir das Aleutenhoch, wie es La Nina auch letztes Jahr sehr lange vorgegeben hatte. So schaut es aktuell aus oben in 10 hpa:

[attachment=44676]

Das könnte auch aus dem Vorjahr sein. Doch das scheint nur so! Denn tatsächlich ist das Aleutenhoch nicht so kräftig wie im Vorjahr und auch der Polarwirbel selbst ist nicht so zentriert und rund, zeigt stattdessen erste Dellen. Und so ist es zu verstehen, dass sich in den nächsten 10 Tagen das ganze Polarwirbel-Gefüge vollständig verändern wird. Am 21.11.2022 soll es nach GFS so aussehen in 10 hpa:

[attachment=44677]

Eine richtige Störung attackiert den Polarwirbel und stört seine Entwicklung zu einem ungestörten Wachstum! Das unterscheidet sich klar zum Vorjahr, was dann bedeutet: der Wirbel wird dieses Jahr nicht die extreme Stärke des Vorjahres erreichen können, denn dafür wird jetzt der nötige Grundstein zertrümmert. Und - auch sehr bedeutsam: das Aleutenhoch wird von der Karte radiert und stattdessen erhebt sich ein Hoch Ostasien. Siehe hier, so berechnet auch von GFS für den 26.11.2022 in 10 hpa:

[attachment=44678]

Ist das gut oder schlecht?

Nun, je nach Sichtweise, denn für die Winterfans ist es tendenziell eher gut, für die Heizkosten-Sorgenkinder eher schlecht. Jedenfalls sind die Voraussetzungen für winterliche Einbrüche damit höher im Dezember und Januar als letztes Jahr. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit für ein Major Warming dadurch deutlich gegenüber dem Vorjahr (da gab es keines, wie von mir letztes Jahr auch angenommen). Und auch der Zeitpunkt für eine erste rasche stratosphärische Erwärmung dürfte zeitlich besser für Winterwetter ausfallen, als letztes Jahr. Schon um den Jahreswechsel wäre eine erste solche rasche Erwärmung möglich, mitunter sogar um Weihnachten, aber das wäre dann nur ein Minor Warming und nicht von durchschlagendem Erfolg für anhaltendes Winterwetter. Für ein Major Warming scheint es um Mitte Januar schon möglich zu sein, kommt das Weihnachts-Minor-Warming, dann erst Ende Januar/Anfang Februar. Dieses Event hätte dann aber das Zeug für eine längere Episode von echtem Winterwetter. Doch Achtung:

ein Major Warming macht bei uns noch lange nicht garantiertes Winterwetter. Wir können mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf die warme Seite der Wetterlagen gelangen und dann war es das mit einem kühlen Januar und Februar. Das wäre dann wieder mal ein Mildwinter, also im Hinterkopf behalten: keiner weiß, was kommt, alles ist möglich, nichts muss...

Gut, also weiter. Ohne Aleutenhoch und mit einem Major Warming stehen die Chancen für einen Polarwirbelsplit dann ziemlich gut. Letztes Jahr gab es nur ein Dispacement, dieses Jahr könnte es eher zu einem Split kommen. Natürlich weiß ich nicht, wo genau die beiden Wirbel dann liegen würden, aber - als Momentaufnahme - mit einer weiterhin positiven Massebilanz mit sehr viel Neuschnee auf Grönland, wäre da ein dickes trennendes Hoch zu erwarten, das von unten nach oben drückt in die Stratosphäre und dem stratosphärischen Polarwirbel vermutlich die Trennlinie leichter macht- Da würde bedeuten: ein Teilwirbel über Westrussland, ein Teilwirbel über Kanada/USA, dazwischen das Grönlandhoch. Und das könnte auch bei uns mit etwas Glück und Spucke für Winterwetter reichen. Zumindest keine Dauermilde, was ja auch eine Aussage wäre...

Die Aussichten für den Winter fasse ich mal so zusammen:

kein Eiswinter
Chancen auf Schnee zwischen Weihnachten und Neujahr - aber nicht etwa überall bei uns
kein Rekord-Mildwinter
Zwischen Mitte Januar und Anfang Februar erhöhte Chancen für ein Major Warming mit einem Polarwirbelsplit

Viel mehr kann ich aktuell nicht aus den "Karten" lesen. Vielleicht passt es ja wieder, vielleicht macht das Wetter aber auch alles anders.

Noch ein Blick in die nahe Zukunft diesen Herbstes. Interessant ist ein Polarwirbelsplit (ohne eine rasche Erwärmung oben in der Stratosphäre), der - na wie sollte es anders sein - durch den troposphärischen Hochdruck über Grönland und drum herum ausgelöst wird, aber sich bis hoch in 30 hpa in die mittlere Stratosphäre fortpflanzt. Also ein echtes Kaliber und das um den 20. November herum! Kein so schlechtes Anfang, würde ich sagen. Hier für die untere Stratosphäre, die für unser Wetter mitbestimmend ist, für den 21.11.2022:

[attachment=44679]

Ein richtiger Polarwirbelsplit, denn es wären zwei getrennte Wirbel, die sich unabhängig von einander um Ihre Achsen drehen. Das reicht für eine Menge Verwirbelungen in der Troposphäre und vielleicht auch für einen Hauch von erstem Winterwetter bei uns...

Mit dieser Aussicht auf die Aussichten wünsche ich eine gute Zeit und einen lebhaften Thread.

Meinen Gruß!
Danke dir für die Mühe. Schön von dir zu hören
Hallo Heinrich,

danke für deinen Post!
Ich bin gespannt was die neue ‚Saison‘ bringt.

Schönes Wochenende allen  Smiley53
Auch von mir vielen Dank für den Beitrag!
Servus!


S Y N O P T I S C H E  Ü B E R S I C H T  M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.11.2022 um 10.30 UTC

Wechselhaft und von Osten kälter. Nachts im Osten zum Ende der Woche zunehmend
Luftfrost.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 19.11.2022

Die insgesamt blockierungsfreudigen Ausgangsbedingungen bleiben auch während
dieser Mittelfrist weiterhin bestehen.

Aus dem tropischen Sektor gibt es zweierlei Ereignisse zu erwähnen. INVEST 96W im Nordpazifik (grob bei 21 N/164 E gelegen) sollte laut eines homogenen Modellpools in den kommenden Tagen unter Intensivierung als ein Tropensturm/ggf. Taifun polwärts in Richtung Aleuten/Beringmeer ziehen und dort dank konstruktiver Interferenz mit dem außertropischen Polarfrontjet einen Keil über
Alaska weiter intensivieren und polwärts aufspannen, was den PNA (Pazifik/Nordamerika) Index zunehmend in die negative Phase drücken sollte (u.a. im GEFS recht solide im Ensemble abgebildet und im IFS-ENS sogar noch stärker betont). Diese Entwicklung forciert somit im Verlauf dieser Mittelfrist eine cross-polareStrömung und somit ein Art Ausfließen der polaren Kaltluft in Richtung des kanadisch/nordamerikanischen Sektors (Hand in Hand gehend mit positiven Anomaliewerten des Geopotenzials über Skandinavien). Das wäre der Kältebringer für Nordamerika, wenn die NAO negativ wäre, doch diese scheint sich neutral (IFS) bis leicht positiv (GEFS) einzupendeln, was u.a. die recht ausgeglichene 2D Wahrscheinlichkeitsfunktionsverteilung zwischen NAO+ und BL+ (Blockierung)
andeutet. Insofern dürfte die Polarluft eher in Richtung Kanada/Neufundland und in der Folge in Richtung Grönland/Nordatlantik auszufließen. Ist das gut für winterliche Träume in Deutschland? Ist es eher nicht. Dank der Entwicklung einer ausgeprägten hyperbaroklinen Zone über dem Nordatlantik und reger Tiefdruckaktivität deutet sich ein dominanter Einfluss des Atlantiks an. Vom vorherrschenden Grundmuster sollte sich somit wenig ändern, wenngleich sich ein weiterer Spieler immer weiter aufbläht und ins Vorhersagespiel bringt: eine blockierende Antizyklone über Skandinavien, die immer mächtiger wird und als Gegenpart beruhigend/blockierend zum agilen Atlantik auftritt. Darum auch das "eher nicht" in der Antwort auf die Winterfrage, denn Überraschungen wären bei solch einer Konstellation nicht neu.

In den jüngsten Hovmöller Zeit-Längendiagrammen des 500 hPa Geopotenzials deutet sich somit bis auf Weiteres keine nachhaltige Änderung im Geopotenzialmuster über dem eurasischen Sektor an. Bis über die Mittelfrist hinaus soll über dem Nordatlantik zumeist tiefes Geopotenzial überwiegen mit positiven Abweichungen über Skandinavien. Allerdings nimmt der Spread der Anomaliewerte nach dem Ende
der Mittelfrist besonders westlich von uns deutlich zu, was aber eher an der zunehmenden Dynamik liegen dürfte.

Abwegig erscheint diese Entwicklung auch aus einem anderen Gesichtspunkt nicht, da sich momentan über dem Maritimen Kontinent (Region Südostasien) eine MJO Welle (Madden-Julian Oszillation) aufbaut, die jenseits dieser Mittelfrist von Phase 5 zu 6 einen deutlichen Amplitudengewinn verzeichnen soll, was uns in der Folge eine blockierungsfreudige Lage bringen könnte (statistisch signifikante
Werte mit einer Verzögerung von 9 bis 13 Tagen von Phase 5 für "Hoch Skandinavien-Island mit einem Keil über Mitteleuropa"). Inwieweit dies bereits in die Hovmöller Projektionen einfließt kann jedoch nicht gesagt werden.

Die eben beschriebene Blockierung (Alaska/Skandinavien) ist auch nicht uninteressant für die weitere Entfaltungsmöglichkeit des Polarwirbels in der Stratosphäre, da u.a. die jüngste IFS-Berechnung gar eine mögliche cross-polare Keilbildung andeutet. Ausgehend von dieser Entwicklung baut sich nach jetziger Lesensart über Asien ein erster kräftiger vertikal gerichteter Wärmefluss auf, was auch mit einem Wechsel der EP Fluss Vektoren auf stark ansteigend/leicht polwärts ausgerichtet einhergeht. Diese Welle lässt sich über die Mittelfrist hinaus bin in die obere Stratosphäre verfolgen und könnte zum Monatsende den Polarwirbel insgesamt beeinflussen. Wichtiger aber ist noch, dass durch diesen
Prozess in der Mittelfrist eine Aufspaltung des Polarwirbels im ÜbergangsbereichTroposphäre/Stratosphäre erwartet wird. Ein Ast soll sich über der Kara- bzw. Laptewsee einnisten, der andere in Richtung kanadisch-arktisches Archipel wandern und ggf. zum dominanten Wirbel anwachsen. Die Folge ist, dass Europa in einem Bereich verbleibt, der durch schwache Geopotenzialgradienten im oberen Bereich der Troposphäre geprägt wird. Dabei sorgt eine vergleichsweise schwache Hintergrundströmung dafür, dass die wahre (negative)
Phasengeschwindigkeit der Rossby-Wellen und somit eine nahezu stationäre bzw. westwärts gerichtete Verlagerung der Wellen dominiert,
einhergehend mit der westwärts gerichteten Gruppengeschwindigkeit der Wellen mitgroßer Amplitude. Auch aus dieser Warte verwundert daher die eingefahrene Anomalievorhersage des Geopotenzials im Hovemöller-Diagramm nicht. Sollte sich zudem, wie im GEFS angedeutet, der Polarwirbel über Kanada einnisten, dann wäre bis auf Weiteres auch keine nennenswerte Kaltluftbildung im russischen Sektor zu
erwarten, sieht man von Eigenproduktion unter der blockierenden Antizyklone in Skandinavien/Westrussland ab.

Man darf gespannt sein, ob die jüngste Tendenz im IFS-ENS, die 10 hPa gemittelten Zonalwinde bis zum Monatsende etwas zu erhöhen (immerhin auf den klimatologischen Normalwert) in der nächsten Berechnung wieder korrigiert wird bzw. ob sich diese Entwicklung in einer erhöhten Memberspreizung äußert. Nichts destotrotz könnte die in dieser Mittelfrist anstehende Entwicklung größere
Auswirkungen für Anfang Dezember haben, wenn sie denn auch so eintritt.

Doch wenden wir uns nun dieser Mittelfrist zu, die als wechselhaft, zunehmend normal temperiert und arm an Warnungen zusammengefasst werden kann ... Link ist nur fuer registrierte User sichtbar. registrieren oder login.


Grüße
Heinrich schrieb:Noch ein Blick in die nahe Zukunft diesen Herbstes. Interessant ist ein Polarwirbelsplit (ohne eine rasche Erwärmung oben in der Stratosphäre), der - na wie sollte es anders sein - durch den troposphärischen Hochdruck über Grönland und drum herum ausgelöst wird, aber sich bis hoch in 30 hpa in die mittlere Stratosphäre fortpflanzt. Also ein echtes Kaliber und das um den 20. November herum! Kein so schlechtes Anfang, würde ich sagen. Hier für die untere Stratosphäre, die für unser Wetter mitbestimmend ist, für den 21.11.2022:

[attachment=44693]

Ein richtiger Polarwirbelsplit, denn es wären zwei getrennte Wirbel, die sich unabhängig von einander um Ihre Achsen drehen. Das reicht für eine Menge Verwirbelungen in der Troposphäre und vielleicht auch für einen Hauch von erstem Winterwetter bei uns...

Grüßt Euch!

Dieser oben von GFS berechnete stratosphärische Polarwirbelsplit in der unteren Stratosphäre, der aus der Troposphäre heraus angestoßen wurde, kommt nun tatsächlich. Die ersten Auswirkungen von zartem Winterwetter haben wir seit heute früh bei uns im Norden. Immerhin der erste nasse Schnee im Flachland, gar nicht übel...

Es wird aber wohl nur ein erstes winterliches Intermezzo sein und nicht nachhaltig werden. Macht aber nichts, ist ja noch Herbst!

Oben in der Stratosphäre wird gerade das Aleutenhoch von der Karte radiert. Doch auch das ist nicht nachhaltig, denn schon in 10 Tagen ist das Aleutenhoch wieder auferstanden, wie Phönix aus der Asche. Das ist eben doch wieder typisch für La Nina-Jahre im Winterhalbjahr. Wir hatten das ja letztes Jahr schon bis zum Abwinken. Und auch in 2 Wochen bläht es sich wieder mächtig auf und verschiebt erneut den ganzen Polarwirbel von sich weg. Nach der ganzen Polarwirbelsplit-Turbulenz wechselt die Großwetterlage bei uns zunächst von Hochdruckaktivität durch das Skandinavienhoch hin zu mehr Westwindwetter, also atlantischer geprägt. Das sollte dann bis zum Monatsende in etwa vollzogen sein. Der Polarwirbel wird sich aber nicht so ganz erholen von den schweren Attacken. Es wird in der unteren Stratosphäre bei Dipolneigung bleiben, immer wieder mit einem Hang zum fortgesetzen Polarwirbelsplit in der untersten Etage der Stratosphäre (also im direkten Einflussbereich zur Troposphäre). Das ist Ausdruck der aktuell stattfindenden Schwächung des Wirbelsystems in der Stratosphäre. Sehr dynamisch wird die Entwicklung dadurch in der Wetterzone, also unterhalb der Stratosphäre. So könnte es zum Nikolaustag bei uns in Mitteleuropa - just in right time - zu einer erneuten Umstellung kommen von atlantischem Westwindwetter hin zu Hoch Grönland - Großbritannien, was dann bedeutet, polare Kaltluft macht sich auf den Weg zu uns. Zumindest erscheint mir das derzeit eine recht wahrscheinliche Entwicklung zu sein. Was dann daraus wird, wenn es denn überhaupt so kommen wird, das steht in den Weihnachtssternen. Wir werden es abwarten müssen. Aber - auch das muss mal gesagt werden - im Moment sieht es nicht übel aus für Winterwetter im Dezember. Schnee und Eis? Wer weiß...

Apropos Eis:
das Meereis der Arktis hat sich auch wieder ziemlich gut entwickelt, zumindest auf der europäischen Seite sieht es besser aus als in vielen Jahren der letzten Jahrzehnte. Vielleicht ist das ja wirklich dem schwächelnden Nordatlantikstrom zu verdanken (siehe Thread KlimaAutist im Klimaforum). Hier mal der Schnappschuss vom 10.11.2022 zur Meereisbedeckung:

[attachment=44694]

Die herbstliche Meereisentwicklung liegt folglich in unserem direkten Einflussbereich zwischen Grönland und Skandinavien im "normalen" Rahmen. Natürlich ist das nicht ganz unwichtig, wenn wir aus dieser Gegend mal kalte Luftmassen erwischen werden. Je mehr Eis dort ist, umso kälter werden die Luftmassen dort sein können. Offenes Meer kann keine kalte Luft halten oder erzeugen...

Wenn sich wieder etwas ersichtlich sinnergreifendes in der Stratosphäre tut, dann drücke ich den Meldebutton.
Schönes Wochenende!

PS: Danke für alle Beiträge im Thread!
Hallo Zusammen,

auch von mir danke für die wunderbaren Beiträge!
Macht Spaß zu lesen und weckt den Nervenkitzel für die nächsten Wochen.

Gerne mehr davon zu gegebener Zeit!

Beste Grüße!
Danke für die doch erfreulichen Beiträge. Hoffen wir mal auf Schnee, Eis und Winter pur. Nur heizen möchte ich nicht  Confused
Heinrich schrieb:...Nach der ganzen Polarwirbelsplit-Turbulenz wechselt die Großwetterlage bei uns zunächst von Hochdruckaktivität durch das Skandinavienhoch hin zu mehr Westwindwetter, also atlantischer geprägt. Das sollte dann bis zum Monatsende in etwa vollzogen sein. Der Polarwirbel wird sich aber nicht so ganz erholen von den schweren Attacken. Es wird in der unteren Stratosphäre bei Dipolneigung bleiben, immer wieder mit einem Hang zum fortgesetzen Polarwirbelsplit in der untersten Etage der Stratosphäre (also im direkten Einflussbereich zur Troposphäre). Das ist Ausdruck der aktuell stattfindenden Schwächung des Wirbelsystems in der Stratosphäre. Sehr dynamisch wird die Entwicklung dadurch in der Wetterzone, also unterhalb der Stratosphäre. So könnte es zum Nikolaustag bei uns in Mitteleuropa - just in right time - zu einer erneuten Umstellung kommen von atlantischem Westwindwetter hin zu Hoch Grönland - Großbritannien, was dann bedeutet, polare Kaltluft macht sich auf den Weg zu uns. Zumindest erscheint mir das derzeit eine recht wahrscheinliche Entwicklung zu sein.

Grüßt Euch!

Den Blick schon vorlaufend auf den Nikolaustag gerichtet (siehe oben im Zitat) gibt Anlass, sich etwas verwundert die Augen zu reiben. Zwar ist es noch lange hin bis zum Tag der Nikoläuse, doch sind die Zeichen der Zukunft selbst beim DWD heute zu lesen. Hier der entscheidende Auszug aus dem Bericht: Link ist nur fuer registrierte User sichtbar. registrieren oder login.

Zitat:S Y N O P T I S C H E  Ü B E R S I C H T  M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.11.2022 um 10.30 UTC

Zunächst allgemein mild und wechselhaft, zum Ende erneut Signale für kälteres
Blocking.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 27.11.2022

Die vor uns liegende (erweiterte) Mittelfrist bietet zunächst wenig Raum für
Überraschungen. Erweitert man aber den Blick zum tropischen Pazifik hin, sollten
Signale dort für bevorstehende Änderungen der Großwetterlage von der Quelle her
analysiert werden. Die MJO geht in der Prognose in die Phase 6 (Westpazifik).
Die Amplitude könnte laut einiger Ensemble-Member durchaus hoch ausfallen (mit
Auswirkungen auf die Ausprägung der tropischen Konvektion). Phase 6 der MJO geht
als extratropical response (durch verstärkte meridionale Wellenaktivität mit
anschließendem wave train quer über den Pazifik) i.d.R. einher mit
außergewöhnlich milden Temperaturen über weiten Teilen Nordamerikas, was z.B.
von IFS-EPS in der Mehrzahl der Member durch einen ausgeprägten Höhenrücken über
Nordamerika im weiteren Wochenverlauf indiziert wird. Diese Konstellation ruft
die Nordamerikanische Großwetterlage Pazific Trough (PT) auf den Plan, die durch
ein stärker ausgeprägtes Aleuten-Tief charakterisiert wird. Letzterer Umstand
begünstigt wiederum verstärkte vertikale Wärmeflüsse in Richtung arktische
Stratosphäre bei vorhandener Kopplung über lange planetare troposphärische
Rossby-Wellen, die in Phase laufen dürften mit den klimatologischen
stratosphärischen langen Wellen (siehe auch Vertikalprofile StratObserve). Hier
sieht es nach einer wave-1-Geometrie der Überlagerung in der Stratosphäre aus,
da der Atlantik diesbezüglich relativ ruhig erscheint (obwohl GFS beim
Geopotenzial auf 10 hPa ein leichtes, aber nicht vollständiges Splitting
andeutet). Und siehe da, eine Schwächung des Stratosphärischen Polarwirbels
(SPV) zum Ende der Woche wird sowohl von IFS-EPS als auch von GEFS (Wind in 10
hPa, auf 60 N zonal gemittelt) angezeigt
(bei der Stärke des Einbruchs gibt es
allerdings noch einen veritablen Member-Spread, siehe Member-Spread
MJO-Amplitude). Mehr noch, die Kopplung von Stratosphäre und Troposphäre nach
der Schwächung des SPV ist im Vertikalschnitt des NAM-Index zu Beginn der
übernächsten Woche (ab 28./29.11. - siehe StratObserve) deutlich erkennbar, in
dem Sinne, dass NAM bzw. der AO- und auch der NAO-Index deutlicher ins Negative
rutschen könnten. Die daraus resultierende erneut verstärkte Blockierungstendenz
nach einer kurzen Erholung des NAO-Index wird damit insgesamt wahrscheinlicher.
Folglich erscheint in der aktuellen Vorhersage der Großwetterlagen aus dem
Ensemble des IFS (GWL-EPS) nach Süd antizyklonal (Sa) zu Beginn der nächsten
Woche als primäre Sequenz nun zunehmend Hoch Fennoskandien antizyklonal (HFa). 
...

Alles, was davor geschieht in der Mittelfrist, kann relativ kurz zusammengefasst
werden. Zu Beginn herrscht über dem atlantisch-europäischem Raum (bei NAO leicht
positiv) über West- und Mitteleuropa mal eine vorübergehend recht zonal
ausgeprägte Strömung. Dabei etabliert sich im Verlauf allerdings ein
Langwellentrog westlich der Britischen Inseln. Die bodennahe Blockierung
hingegen wird nach Ost- und Nordosteuropa abgedrängt, wobei hohes Geopotenzial
in 500 hPa weiterhin in weiten Teilen des Nordpolarmeers bis nach Grönland

überwiegt und somit einige Member des IFS auch auf NAO negativ springen...

...Nun scheiden sich aber die Geister, da offen ist, wie und wo sich die neu
aufgebaute Blockierung im Verlauf etabliert. Gleichzeitig amplifiziert
vorgenannter Trog laut IFS noch stärker (deutliche Vergrößerung seiner Amplitude
unter leichter Wellenlängenverkürzung) und dämpft demnach die
Gruppengeschwindigkeit der planetaren Welle stromab. Das klingt nach Zutaten für
eine Neuauflage eines Skandi-Blockings, aber soweit ist es noch nicht. Denkbar
sind auch andere Variationen einer Blockierung
(z.B. Höhenrücken von Süd- bis
Mitteleuropa oder aber über dem Ostatlantik/Nordmeer, entsprechend Süd- oder
Südwest antizyklonal (Sa, SWa) oder Hoch Britische Inseln (HB) bzw. Hoch
Nordmeer zyklonal (HNz)). Dementsprechend ist auch die Bandbreite der
Temperaturprognose für die erweiterte Mittelfrist recht groß. Wie eingangs erwähnt, eine neuerliche Blockierung wird insgesamt wahrscheinlicher, für synoptische Details ist es aber noch zu früh... 

Nun denn, die Zutaten scheinen vorzuliegen, jetzt muss die Küche das Menü aber noch zubereiten, damit alles angerichtet werden kann zum Nikolausi-Tag. Hoffen wir mal, dass die Küche nicht unter Personalmangel leidet und deshalb auf das Salz und Gewürze verzichten muss...

Kurz der Blick auf die aktuelle Situation in 100 hpa (die ich in meinem Eröffnungsbeitrag zum Thread schon angesprochen hatte):

[attachment=44751]
Das zur Verifikation zu meinen Annahmen vom 11.11.22, denn das ist eine Analysekarte, keine Vorausschau.

Nun der gewagte Blick auf die Konstellation in der untersten Stratosphäre zum Nikolaustag am 06.12.2022. Da findet sich doch tatsächlich... seht selbst

[attachment=44752]

"Vielversprechend", wenn man an Winterwetter denken mag.

Nun ist das ja nur die Entwicklung in der untersten Etage der Stratosphäre, die ja bekanntlich die Troposphäre ganz gut spiegelt und mit dieser in enger Zusammenarbeit steht. Entscheidender für einen längeren Abschnitt für potentiell gutes Winterwetter aber findet sich in der mittleren und oberen Etage der Stratosphäre. Diese Schichten wirken zwar üblicherweise nicht direkt und sofort auf die Wetter-Troposphäre unten, legen aber die diversen Daumenschrauben frühzeitig an und geben auf längere Sicht final die Richtung an, der sich die Troposphäre schlussendlich nicht entziehen kann. Und dort oben soll es zum Nikolaustag so ausschauen:

[attachment=44753]

Wir sehen ein mächtiges Aleutenhoch, welches den Polarwirbel deutlich verschiebt (man muss wohl schon wieder von einem Displacement ohne SSW sprechen). Und die Verschiebung des Polarwirbels auf die östliche Hälfte der Hemisphäre ist in dieser frühen Phase zum Winterbeginn ein untrügliches Zeichen für winterliche Verhältnisse in Mitteleuropa. So jedenfalls schaut es heute aus. Könnte der Anfang sein für einen interessanten Dezemberwinter. Könnte, Chance also vorhanden. Man wird sehen...

Meinen Gruß!
Danke für dein Update. 
Der Wirbel hat gefälligst zu machen was du vorgibst und nicht umgekehrt
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