26.10.2016, 12:49
In diesem Jahr sehen wir zum Ende des Oktobers einen bereits gut entwickelten stratosphärischen Polarwirbel. Den Entwicklungsstand erkennt man an der Ausdehnung des Wirbels und an seiner Druckstärke. Beide Faktoren zeigen im Verhältnis zu Vergleichsjahren in diesem Herbst eine bereits gut entwickelte Struktur.
Allerdings ist die Wirbelstruktur labil, das heißt, der Wirbel neigt zur Bildung von Dipolen (zwei voneinander abgelegene Wirbelzentren, die aber noch miteinander verbunden sind) oder sogar einem Tripol (dann drei solcher eher schwachen Zentren) bis hin zu einem Polarwirbelsplit, bei dem sich zwei starke Wirbel ausbilden, die voneinander getrennt sind und eigenständig agieren.
Die Gründe für eine labile Struktur sind vielfältig. Einen geschlossen, starken Polarwirbel kann man dann beobachten, wenn die Gegensätze der Temperaturen zwischen Nord und Süd auf unserer Nordhalbkugel sehr groß sind. Dies befeuert die Bewegungen um den Wirbel herum und vertieft diesen dadurch. Bei einem starken, geschlossenen Polarwirbel können störende Einwirkungen aus der Troposphäre oder Erwärmungen in der Stratosphäre die Struktur des Wirbels nur wenig beeinflussen. Anders ist dies bei einem in der Struktur labilen Wirbel. Externe Einflüsse können den Wirbel verformen oder Teile abspalten, im ungünstigsten Fall den Wirbel in zwei Teile trennen (Split). So kann ein bereits gut entwickelter Polarwirbel durch z.B. troposphärische Einflüsse (Hochdruckkeil drückt von unten gegen den stratosphärischen Wirbel und trennt ihn in der unteren Stratosphäre in zwei Teile) gestört werden, obwohl der Wirbel für die Jahreszeit schon gut entwickelt war. Allerdings benötigt es dazu grundsätzlich auch noch weitere Faktoren, die da sein können: Erwärmungen an exponierten Stellen und Höhen in der Stratosphäre, ein Wechsel in der stratosphärischen Windrichtung von West auf Ost oder auch eine Veränderung der Schwerewellen-Ausrichtung durch eine Verschiebung in der Konvergenzzone. Es gibt weitere Einflüsse, die ich hier aber nicht alle behandeln kann.
Zur aktuellen Situation:
Der Polarwirbel zeigt einen guten Entwicklungsstand für Ende Oktober. Das bedeutet, dass die Differenzen in der Temperatur zwischen Nord und Süd sehr groß sein müssen. Nur dann wächst der Polarwirbel so früh und so rasch, wie wir es heute sehen können. Allerdings ist er dennoch labil. Die Frage ist, warum ist er so labil? Ich mache es kurz: wir haben in der Stratosphäre überraschend einen Windwechsel (QBO) messen können: die Hauptwindrichtung ist von West auf Ost gewechselt und das sehr flott. Dieser Windwechsel findet durchschnittlich alle 27 Monate statt, ist aber erstmals (seit Aufzeichnungbeginn 1953) nicht pünktlich zwischen Ende 2015 und Mitte 2016 eingetreten. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Jetzt kam er dafür umso überraschender und vollzog sich sehr schnell. Mit dem Ostwind (der stärker ist als der Westwind) wird der Polarwirbel in seiner Bewegungsrichtung und folglich in seiner Struktur geschwächt. Und diese Schwächung führt nun ab heute zu einem ausgewachsenen Polarwirbelsplit, also es entwickeln sich zwei voneinander getrennte Polarwirbel. Vollzogen wird der Split in etwa 2 Tagen sein, also etwa am 28.10.2016. Dann sind beide Wirbel tatsächlich autark und agieren selbständig. Ein Wirbel wird dabei über Sibirien (bis Mongolei) liegen, der andere über Nordkanada bis Westgrönland. Zum Zeitpunkt des Splits wird der Wirbel über Sibirien der stärkere sein (Druck liegt niedriger) und damit dominant sein für die Bestimmung der kurzfristigen Positionierungen beider Wirbelkerne. Der stärkere Wirbel zeichnet sich auch dadurch aus, der er über die größere Kaltluftansammlung verfügt. Wandert oder bewegt sich der stärkere Wirbel in eine Richtung, folgt der schwächere Wirbel gewöhnlich fast synchron dieser Bewegung. Genau zwischen den beiden Wirbeln wird durch die an dieser Stelle entgegengesetzten Bewegungsrichtungen großer Druck produziert, was sich in Hochdruck auf den Wetterkarten darstellt. Dieser Hochdruck trennt in der Troposphäre ebenso die sich ausbildenden Tiefdruckgebilde voneinander, womit insgesamt eine völlig veränderte Luftzirkulation entsteht. Dieser Zustand mit getrennten Wirbeln kann von wenigen Tagen bis zu 2 Monate andauern, je nach Stärke des Polarwirbels insgesamt und nach Andauer der störenden Faktoren. Grundsätzlich kann man sagen, ein sehr früher oder sehr später Polarwirbelsplit (also vor Mitte November oder nach Mitte März) dauert nur wenige Tage an und hat längst nicht so gravierende Auswirkungen auf die Temperatur- und Niederschlagsabweichungen am Boden, wie es mit solch einem Ereignis in der Zeit von Ende November bis Anfang März der Fall ist.
Nun haben wir also einen sehr frühen Polarwirbelsplit zu verzeichnen in diesem Herbst 2016. Für unser Wetter in Mitteleuropa bedeutet ein Polarwirbelsplit jedoch nicht automatisch kaltes Wetter. Das hängt stets von der Position der beiden Wirbel ab, insbesondere des östlichen Wirbels. Dazu habe ich ein Schaubild erstellt, anhand dessen man grob eine Aussage treffen kann, ob wir auf die kalte oder warme Seite in Mitteleuropa kommen. Dazu vergleicht man die Positionen der Wirbel aus dem Schaubild mit den Positionen aus den aktuellsten Simulationen. Schaubild:
Polarwirbelsplit idealisiert.jpg (Größe: 147,81 KB / Downloads: 2.095)
Nun vergleichen mit den Positionen der Wirbelkerne lt. ECMWF:
Polarwirbelsplit 28.10.2016 ecmwf 100 hpa +72h.jpg (Größe: 101,1 KB / Downloads: 2.110)
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Wie wir sehen können, verspricht die simulierte Lage des östlichen (rechten) Wirbels für uns keine Lage, die es bei uns besonders kalt machen würde - er ist zu weit weg von uns. Klassisch wären wir auf der warmen Seite. Das gilt zumindest, solange diese Positionen beibehalten werden und solange der Split besteht. Ändern sich Lage oder geteilter Zustand, dann verändern sich auch die Aussichten für unser Wetter. Zudem muss man noch festhalten, dass zwischen dem Entstehen des Polarwirbelsplits und der Wetterwirksamkeit bei uns auch noch ein Zeitverzug zu bedenken ist. Als Faustregel gilt: je weiter der Wirbelkern „unseres“ östlichen Wirbels von uns entfernt ist, umso länger dauert es, bis bei uns daraus Auswirkungen entstehen können. Beim derzeitigen Stand wären das bis zu 7 Tage. Entfällt in der Zwischenzeit dieser 7 Tage der geteilte Zustand, werden weitere Entwicklungen (aus dem wieder Zusammenwachsen des Wirbels) bereits auf unser Wetter wirksam – oder sie überlagern sich. Also ist es sehr schwierig, heute schon eine Prognose abzugeben, wie sich das Wetter in den nächsten 10-14 Tagen bei uns entwickeln wird. Nur mit permanenter Beobachtung der Entwicklungen in der Stratosphäre im Kontext mit der Troposphäre (unserer Wetterküche) kann man Tendenzen herausarbeiten und zu einer vorsichtigen Prognose verdichten. Das könnte in 2-3 Tagen schon möglich sein. Vielleicht wage ich mich an diesen hohen Arbeitsaufwand, wenn ich fit genug bleibe.
Für heute sollte das für einen Einstieg in Diskussionen genügen.
Viel Freude und hoffentlich rege Beteiligung wünsche ich uns! Und daraus gern viele neue User.
Gruß in die Wetter-Runde!
Allerdings ist die Wirbelstruktur labil, das heißt, der Wirbel neigt zur Bildung von Dipolen (zwei voneinander abgelegene Wirbelzentren, die aber noch miteinander verbunden sind) oder sogar einem Tripol (dann drei solcher eher schwachen Zentren) bis hin zu einem Polarwirbelsplit, bei dem sich zwei starke Wirbel ausbilden, die voneinander getrennt sind und eigenständig agieren.
Die Gründe für eine labile Struktur sind vielfältig. Einen geschlossen, starken Polarwirbel kann man dann beobachten, wenn die Gegensätze der Temperaturen zwischen Nord und Süd auf unserer Nordhalbkugel sehr groß sind. Dies befeuert die Bewegungen um den Wirbel herum und vertieft diesen dadurch. Bei einem starken, geschlossenen Polarwirbel können störende Einwirkungen aus der Troposphäre oder Erwärmungen in der Stratosphäre die Struktur des Wirbels nur wenig beeinflussen. Anders ist dies bei einem in der Struktur labilen Wirbel. Externe Einflüsse können den Wirbel verformen oder Teile abspalten, im ungünstigsten Fall den Wirbel in zwei Teile trennen (Split). So kann ein bereits gut entwickelter Polarwirbel durch z.B. troposphärische Einflüsse (Hochdruckkeil drückt von unten gegen den stratosphärischen Wirbel und trennt ihn in der unteren Stratosphäre in zwei Teile) gestört werden, obwohl der Wirbel für die Jahreszeit schon gut entwickelt war. Allerdings benötigt es dazu grundsätzlich auch noch weitere Faktoren, die da sein können: Erwärmungen an exponierten Stellen und Höhen in der Stratosphäre, ein Wechsel in der stratosphärischen Windrichtung von West auf Ost oder auch eine Veränderung der Schwerewellen-Ausrichtung durch eine Verschiebung in der Konvergenzzone. Es gibt weitere Einflüsse, die ich hier aber nicht alle behandeln kann.
Zur aktuellen Situation:
Der Polarwirbel zeigt einen guten Entwicklungsstand für Ende Oktober. Das bedeutet, dass die Differenzen in der Temperatur zwischen Nord und Süd sehr groß sein müssen. Nur dann wächst der Polarwirbel so früh und so rasch, wie wir es heute sehen können. Allerdings ist er dennoch labil. Die Frage ist, warum ist er so labil? Ich mache es kurz: wir haben in der Stratosphäre überraschend einen Windwechsel (QBO) messen können: die Hauptwindrichtung ist von West auf Ost gewechselt und das sehr flott. Dieser Windwechsel findet durchschnittlich alle 27 Monate statt, ist aber erstmals (seit Aufzeichnungbeginn 1953) nicht pünktlich zwischen Ende 2015 und Mitte 2016 eingetreten. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Jetzt kam er dafür umso überraschender und vollzog sich sehr schnell. Mit dem Ostwind (der stärker ist als der Westwind) wird der Polarwirbel in seiner Bewegungsrichtung und folglich in seiner Struktur geschwächt. Und diese Schwächung führt nun ab heute zu einem ausgewachsenen Polarwirbelsplit, also es entwickeln sich zwei voneinander getrennte Polarwirbel. Vollzogen wird der Split in etwa 2 Tagen sein, also etwa am 28.10.2016. Dann sind beide Wirbel tatsächlich autark und agieren selbständig. Ein Wirbel wird dabei über Sibirien (bis Mongolei) liegen, der andere über Nordkanada bis Westgrönland. Zum Zeitpunkt des Splits wird der Wirbel über Sibirien der stärkere sein (Druck liegt niedriger) und damit dominant sein für die Bestimmung der kurzfristigen Positionierungen beider Wirbelkerne. Der stärkere Wirbel zeichnet sich auch dadurch aus, der er über die größere Kaltluftansammlung verfügt. Wandert oder bewegt sich der stärkere Wirbel in eine Richtung, folgt der schwächere Wirbel gewöhnlich fast synchron dieser Bewegung. Genau zwischen den beiden Wirbeln wird durch die an dieser Stelle entgegengesetzten Bewegungsrichtungen großer Druck produziert, was sich in Hochdruck auf den Wetterkarten darstellt. Dieser Hochdruck trennt in der Troposphäre ebenso die sich ausbildenden Tiefdruckgebilde voneinander, womit insgesamt eine völlig veränderte Luftzirkulation entsteht. Dieser Zustand mit getrennten Wirbeln kann von wenigen Tagen bis zu 2 Monate andauern, je nach Stärke des Polarwirbels insgesamt und nach Andauer der störenden Faktoren. Grundsätzlich kann man sagen, ein sehr früher oder sehr später Polarwirbelsplit (also vor Mitte November oder nach Mitte März) dauert nur wenige Tage an und hat längst nicht so gravierende Auswirkungen auf die Temperatur- und Niederschlagsabweichungen am Boden, wie es mit solch einem Ereignis in der Zeit von Ende November bis Anfang März der Fall ist.
Nun haben wir also einen sehr frühen Polarwirbelsplit zu verzeichnen in diesem Herbst 2016. Für unser Wetter in Mitteleuropa bedeutet ein Polarwirbelsplit jedoch nicht automatisch kaltes Wetter. Das hängt stets von der Position der beiden Wirbel ab, insbesondere des östlichen Wirbels. Dazu habe ich ein Schaubild erstellt, anhand dessen man grob eine Aussage treffen kann, ob wir auf die kalte oder warme Seite in Mitteleuropa kommen. Dazu vergleicht man die Positionen der Wirbel aus dem Schaubild mit den Positionen aus den aktuellsten Simulationen. Schaubild:
Polarwirbelsplit idealisiert.jpg (Größe: 147,81 KB / Downloads: 2.095)
Nun vergleichen mit den Positionen der Wirbelkerne lt. ECMWF:
Polarwirbelsplit 28.10.2016 ecmwf 100 hpa +72h.jpg (Größe: 101,1 KB / Downloads: 2.110)
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Wie wir sehen können, verspricht die simulierte Lage des östlichen (rechten) Wirbels für uns keine Lage, die es bei uns besonders kalt machen würde - er ist zu weit weg von uns. Klassisch wären wir auf der warmen Seite. Das gilt zumindest, solange diese Positionen beibehalten werden und solange der Split besteht. Ändern sich Lage oder geteilter Zustand, dann verändern sich auch die Aussichten für unser Wetter. Zudem muss man noch festhalten, dass zwischen dem Entstehen des Polarwirbelsplits und der Wetterwirksamkeit bei uns auch noch ein Zeitverzug zu bedenken ist. Als Faustregel gilt: je weiter der Wirbelkern „unseres“ östlichen Wirbels von uns entfernt ist, umso länger dauert es, bis bei uns daraus Auswirkungen entstehen können. Beim derzeitigen Stand wären das bis zu 7 Tage. Entfällt in der Zwischenzeit dieser 7 Tage der geteilte Zustand, werden weitere Entwicklungen (aus dem wieder Zusammenwachsen des Wirbels) bereits auf unser Wetter wirksam – oder sie überlagern sich. Also ist es sehr schwierig, heute schon eine Prognose abzugeben, wie sich das Wetter in den nächsten 10-14 Tagen bei uns entwickeln wird. Nur mit permanenter Beobachtung der Entwicklungen in der Stratosphäre im Kontext mit der Troposphäre (unserer Wetterküche) kann man Tendenzen herausarbeiten und zu einer vorsichtigen Prognose verdichten. Das könnte in 2-3 Tagen schon möglich sein. Vielleicht wage ich mich an diesen hohen Arbeitsaufwand, wenn ich fit genug bleibe.
Für heute sollte das für einen Einstieg in Diskussionen genügen.
Viel Freude und hoffentlich rege Beteiligung wünsche ich uns! Und daraus gern viele neue User.
Gruß in die Wetter-Runde!
Gruß aus dem schönen Wendland + Washington DC
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