(18.01.2017, 19:14)Wetterleuchte schrieb: Link ist nur fuer registrierte User sichtbar. registrieren oder login.Hi Score12,
ich warte noch bis morgen ab, wenn´s recht ist. Es passiert derzeit so viel, dass es beinahe unmöglich erscheint, aus den Modellen und den Echtwerten die realistischste Variante heraus zu filtern. Aber ich nehme es mal vorweg: wir könnten es knallhart erwischen: der berühmte Stuhl zwischen den Giganten - entweder knallwarm oder knallkalt. Dazwischen scheint es wenig Entfaltung zu geben - stand heute am Abend. Morgen früh könnte es vielleicht ja schon entschieden sein, aber der SSW ist da ja auch noch. Man oh man, das nennt man dann wohl meteorologisches Vollwetter. Die Chance daneben zu liegen liegt bei satten 75% - selbst wenn ich mir noch so viel Mühe gebe...
Ich habe ja so eine Idee, aber dazu benötige ich dann doch noch die Echtdaten der gemessenen Werte morgen früh. Ich melde mich dazu, egal was kommt!
Hi meine lieben Wetterbegeisterte!
Boah, da habe ich mir heute aber etwas vorgenommen. Allein der Abgleich zwischen berechneten Modellwerten an noralgischen Gitterpunkten der Nordhalbkugel mit den gemessenen Messdaten hat schon viel Zeit gekostet. Dann die Bewegungsanalyse mit den korrigierten Werten in der Troposphäre im Abgleich mit der Bewegungsentwicklung in der unteren Stratosphäre und schließlich der modifizierte Forecast für die bereits laufende stratosphärische Erwärmung - viel Aufwand und eine Menge Rechenleistung für eine allein. Doch dann waren die einzelnen Höhenschichten fertig und der aufregende Teil konnte beginnen: das Zusammenfügen der Entwicklungen zu einer dreidimensionalen Forecast-Serie. Interessant, was dabei so alles passt und vor allem nicht passen will. Das was nicht passen will, muss dann nochmals genau untersucht werden, denn genau diese Knackpunkte sind entscheidend für die weitere Entwicklung. Wenn zum Beispiel eine deutliche Diskrepanz zwischen der oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre ab einem Tag X entsteht, dann sind beide Sphären nochmals zu überprüfen und eine logische Lösung zu suchen...
Nun denn, schauen wir zu erst auf die Dinge, die unsere Ausgangslage ausmachen auf der Nordhalbkugel. Die Schneeflächen in Nordamerika haben sich deutlich verringert, wie ich es ja angenommen hatte:
Dagegen sind die Schneeflächen in Eurasien stabil geblieben, sogar geringfügig angewachsen:
Das ergibt in Summe für die gesamte Nordhalbkugel dann diese Schneebedeckungskurve:
Also fast Stagnation auf hohem Niveau. Nun sind die Temperaturanomalien der Nordhalbkugel wieder sehr interessant. Sieht so aus:
Und wir sehen einen starken Anstieg, der vielleicht den einen oder anderen Leser erstaunen mag, wo doch die Schneeflächen sich kaum verändert haben. Wo kommt die Wärme also her?
Grund liegt daran, dass sich der Polarwirbel zentral über dem Nordpol positioniert und sich dabei verstärkt hat. Das zentriert die Kälte im Bereich des Polarwirbels am Nordpol und verstärkt sie dort. Durch diese Position wird Kaltluft aus der Umgebung des Wirbels abgezogen und wird dort durch Warmluft ersetzt. Es steigt dort der Luftdruck an, insbesondere über den großen Schneeflächen in Nordamerika und Europa, aber auch Asien. Die Schneetemperatur ist zudem stark gesunken, was Wärme freigesetzt hat und diese Wärme steigt auf und unterstützt den Hochdruck nochmals. Daher liegen große Landflächen der Nordhalbkugel unter Hochdruck und wo dann kein Schnee liegt, erhöht sich die Bodentemperatur am Tag stark. Zudem wird die vorhandene warme Luft auf die Ozeane getrieben und nicht mehr in die flächenmäßig kleine Arktis wie in den letzten Wochen. So erwärmen sich deutlich größere Flächen und das zeigt sich in der gestiegenen Temperaturanomalie der Nordhalbkugel.
Die großen Schneeflächen unter Hochdruck verursachen - je nach Wettermodell - ganz schön große Differenzen in den Tagestemperaturen am Boden zwischen Rechenwert und Messwert. Mit jeder Korrektur der berechneten Werte mit den Echtwerten ergeben sich daher recht große Unterschiede in den Anfangsdaten der Rechenmodelle, so dass es nach Tag 7 häufiger zu erheblich anderen Ergebnissen der Wetterlagen kommt. Man findet auch diesmal den Grund im Nowcast, also im Jetzt und nicht etwa in einer Vorgabe im Modell oder ähnliches. Robbi hatte das - gestern glaube ich - schon im Wetterforum ganz klar erkannt und benannt.
Was ist in den letzten Tagen oben in der Stratosphäre geschehen?
Erst einmal hat sich der stratosphärische Polarwirbel bisher genau so bewegt und verhalten, wie ich es in meiner Einschätzung vorgesehen hatte. Der Schwerpunkt des Wirbels wanderte von Nordamerika pünktlich zum Nordpol hin unter Druckverstärkung. Wir sehen das hier in den Analysen:
ecmwf100a12.gif (Größe: 101,28 KB / Downloads: 257)
ecmwf100a12a.gif (Größe: 102,11 KB / Downloads: 256)
Nun folgt - aufgrund der bereits erklärten Veränderungen des Schneeflächenverhältnisses zwischen Nordamerika und Europa/Asien zugunsten von Europa - die Positionsveränderung des kräftigen Polarwirbelkerns nach SO, also in unsere Richtung. Durch diese Position kann die angesammelte Kaltluft nicht mehr zentral im Polarwirbel gehalten werden und sie muss ausbrechen. Da über Nordamerika Hochdruck dominiert, wird die allermeiste Kaltluft nach Süden geführt, also hin zum Atlantik und auch in unsere Richtung. Nun haben wir bei uns ja Hochdruck und über Großbritannien das fremdgehende Azorenhoch, das die Anströmung aus West blockiert. Doch auch Nordwest wird blockiert und so wird die kalte Polarluft auf den Atlantik getrieben, wo sich mächtige Tiefdruckgebiete entwickeln, die unser Hoch GB noch weiter verstärken. So steilt sich durch den Druck der atlantischen Tiefdrucksysteme das Hoch GB bis weit in den Norden von Skandinavien auf und schirmt ganz Europa vor dem Atlantik ab. Hinter dem schmalen, kräftigen Hochdruckkeil aber wird Kaltluft nach Süden geführt auf Europa zu, was nicht ohne Zyklonese abläuft, also unter Tiefdruck. Damit gelangt der Hochdruckkeil von drei Seiten unter Druck: von Westen und von Osten wie beschrieben und von Norden durch den dort sich eingrabenden östlichen Polarwirbelzweig. Damit steht fest, dass diese Hochdrucklage nicht dauerhaft werden kann. Sie wird sich von mindestens einer Seite her abschwächen und dann überlaufen werden. Der Schwachpunkt des Hochdruckkeils liegt jedenfalls im Norden, dort wird der Hochdruck zuerst verdrängt werden. Der Keil nach Norden wird sich auflösen und ein erstes atlantisches Tiefdrucksystem wird sich dort nach Europa aufmachen können. Das Hoch GB wird durch diesen Durchgang jedoch wieder gestärkt und weitet sich in den Atlantik hinaus aus. Fortan werden sich aus NW und Nord Polartiefs mit erheblichem Potential nach Europa in Bewegung setzen.
Wie wird sich das im stratosphärischen Polarwirbel auswirken?
Bis zum Monatsende wird sich der Polarwirbel von seiner Position südöstlich des Nordpols (ab morgen) zunächst wieder von uns entfernen auf dem Weg Richtung Sibirien. Wie weit er nach Ostasien wandert ist abhängig vom SSW, der bis Monatsende schon die 100 hpa tangiert. Die Wärmeblase hält den Polarwirbel jedenfalls auf der eurasischen Seite der Nordhalbkugel, wo er dann auch seine ganze Energie entfalten wird. Nordamerika bleibt unter sehr kräftigem Hochdruck und wird nur durch schwächere Störungen beeinflusst. Die Wärmeblase in 100 hpa wird sich bis nach Westgrönland und Neufundland hin bewegen, sich dort fixieren und genau dort in der Troposphäre für ein sehr wirksames Atlantik-Blocking sorgen. Dazu diese Simulation mit der kräftigen Wärmeblase am Zielort:
29.01.2016 gfs 100 hpa +240h Wärmeblase angekommen.png (Größe: 103,89 KB / Downloads: 253)
Knackpunkt wird nun die folgende Entwicklung sein:
je nachdem, ob sich auch noch über Grönland Hochdruck manifestieren kann, wird die Kaltluft aus der Arktis entweder über Grönland auf den Atlantik getrieben oder aber östlich davon über Island. Hier gilt: je weiter westlich, desto stärker werden die Tiefdruckgebiete über dem Atlantik - was das Hoch GB aber zunächst nur weiter stärkt und aufsteilen lässt bis nach Norwegen. Je weiter östlich die Kaltluft auf den Atlantik trifft, desto weniger Wärme und Feuchte können die Tiefs aufnehmen, also bleiben sie kleiner und schwächer. Solche Tiefs sind aber geeignet, den Hochdruck über Europa zu durchbrechen, da sie das Hoch GB kaum stützen können. Wenn der Durchgang offen ist, kullern die Polartiefs einer nach dem anderen nach Europa und laden dort ihre ganze Fracht ab - meist als Schnee bis in tiefste Lagen. Zudem verlagert sich dann der Polarwirbel vollends auf die östliche Seite und bildet eine langgestreckte Ellipse von Sibirien bis Skandinavien. Hier kann es dann auch noch zu einem Dipol Europa kommen, wenn sich der Polarwirbel wieder abgeschwächt hat (was in jedem Fall geschehen wird) und nur noch eine Druckhöhe von über 15.100 Meter erreicht hat.
Wir werden also dringend nach Grönland schauen müssen, ob sich dort Hochdruck aufwölbt, was nach meinem Dafürhalten geschehen sollte, da genug Höhenwärme bereitliegen sollte. Problem könnte der enge Durchgang nach Süden für die Kaltluft sein, wenn hoher Druck über Grönland liegt. Die sehr kalte Bodenluft dort lässt den Hochdruck unterwandern, wenn ein mit Kaltluft aufgefülltes Tiefdrucksystem anbrandet. Das wird kaum zu berechnen sein für die Modelle, wenn das passiert. Nun, wir werden sehen.
Und dann gibt es ja noch den SSW, der als Minor Warming bereits am 27. Januar in 01 hpa nicht nur eine positive Temperatur aufweisen wird, sondern auch erstmals die Windumkehr vollziehen wird auf Ostwind:
27.01.2017 T 60-90N positiv, Windumkehr Ost 01 hpa ecmwf+f216h.gif (Größe: 126,89 KB / Downloads: 255)
Das geschieht dann auch etwas weiter darunter mit Zeitverzug. Nach heutigem Stand könnte sich auch die 10 hpa-Schicht im Wind umkehren, was dann ein Major Warming auslösen könnte. Zeitrahmen: bis Monatsende/Monatsanfang in 10 hpa Höhe. Jedenfalls wird die Wärme so oder so bis weit nach unten wandern und auch in 100 hpa ankommen (siehe weiter oben). Und trotz QBO West derzeit (also Zonalwind weht aus West in der Stratosphäre) besteht inzwischen eine Wahrscheinlichkeit von 60%, dass es doch noch zu einem Major SSW kommen wird. Ich kann sogar schon den wahrscheinlichsten Zeitrahmen dafür benennen: zwischen dem 02. und dem 08. Februar 2017, gemittelt am 05.02.2017. Damit dann Zonalwindumkehr auf Ost auch in 30 hpa an diesem Tag.
Da es entscheidend sein wird, wo bis dahin der Polarwirbel positioniert sein wird, kann es sich später herausstellen, dass wir in den
nächsten Tagen (bis zum 05.02.) die entscheidenden Weichen gestellt bekommen für einen sehr langen und sehr intensiven Winter - wenn sich die Entwicklung so einstellen wird, wie ich sie analysiert, untersucht und berechnet habe. Wenn die Abweichungen nicht all zu groß sein werden, dann habe ich aber auch mein Meisterstück gemacht, denn die Chance zu scheitern liegt sehr hoch. Ich vertraue aber auf meine Methoden, die allerdings schon sehr aufwendig geworden sind - ganz ehrlich, solche Tage darf ich mir nicht zu oft leisten.
Und nun mache ich für heute auch ein Ende. Ich muss mich ausruhen.
Gruß in den Abend und vielen Dank für das Lesen der Endlostexte von mir..