(10.01.2017, 13:16)Wetterleuchte schrieb: Link ist nur fuer registrierte User sichtbar. registrieren oder login.Meine Tendenz-Einschätzung dazu nach langem hin- und herrechnen, wie sich die Energie verteilen wird, kommt zu folgendem Ergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von 55%:
Die europäischen Schneeflächen erhalten sich besser als die nordamerikanischen. Wir müssen uns auf eine Phase mit wohl recht massiven Kaltluftvorstößen einstellen. Zeitraum: ab 23./25. Januar mit einer Unsicherheit von bis zu 7 Tagen (also bis zum Monatsende etwa).
Na, jetzt seid Ihr alle sicher etwas geschockt, oder? Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Ergebnis hier wirklich veröffentliche, denn es ist ja eine ganz neue Vorgehensweise in den Berechnungen. Und es gibt dabei Unsicherheiten, die ich nicht angesprochen habe, wie z.B. ein vielleicht doch durchgreifender SSW mit Polarwirbelsplit oder einer Polarwirbelverschiebung, die ich nicht einkalkulieren kann. Dann wird alles aber eh neu gemischt und muss ganz neu analysiert werden. So mache ich also die Einschränkung, dass die von mir eingeschätzte Entwicklung voraus setzt, dass wir bis zum Monatsende hin keinen Major SSW haben werden.
Hi meine Lieben,
es wird nach knapp einer Woche wieder Zeit für ein Update und für eine Einschätzung, wie es nach dem 23.01.2017 weitergehen könnte. Vorab: meine Einschätzung, oben zitiert, vom 10.01.2017 bleibt bestehen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, Nordamerika verliert erneut das Duell gegen Europa - über den Monatswechsel hinaus! Warum ich darauf komme und wie die Zusammenhänge zu finden sind, versuche ich nun zu erläutern.
Zunächst betrachten wir die relevanten Rahmenbedingungen, wie sie sich aktuell darstellen. Ein erster Blick geht auf die Entwicklung der Temperaturabweichung auf der Nordhalbkugel. Im oben zitierten Beitrag war ich ja darauf eingegangen. So sieht es aktuell aus:
Wir sehen den moderaten Anstieg nach dem Tiefpunkt und derzeit eine Art Stagnation mit Tendenz zum Anstieg. Warum stagniert es und steigt nicht schon an? Die Antwort findet sich zum großen Anteil wieder in der Schneebedeckung auf der Nordhalbkugel, die jetzt so ausschaut:
Auch hier findet sich eine Art Stagnation, aber mit leichter Tendenz abwärts. Nun sagt das über das jetzt so wichtige Kräfteverhältnis zwischen der Entwicklung Nordamerika und Europa/Asien nichts aus. Dazu schauen wir uns die beiden weiteren Grafiken an, Nordamerika..
und Eurasien:
Und nun sehen wir, dass sich die Schneeflächen in Nordamerika verringert haben und in Eurasien zugenommen haben. Damit bestätigt sich meine Annahme von letzter Woche, dass sich das Kräfteverhältnis zugunsten Eurasiens verändert hat. Das ist für unser zukünftiges Winterwetter entscheidend, denn das bedeutet, dass sich über Nordamerika der Hochdruck noch verstärken wird und somit die Kaltluft aus dem zentrierten Polarwirbel nahe dem Nordpol nicht anzapfen kann. In der Folge wandert der Kern des Polarwirbels dann auch vom Nordpol nach Ost, genauer nach SO, wie ich es ja schon vermutet hatte. Das simuliert ECMWF nun auch, wie man hier für den 20.01.2017 sehen kann:
20.01.2017 ecmwf100+120h starker Zentralwirbel SO Nordpol mit Hoch Europa.gif (Größe: 102,2 KB / Downloads: 335)
An dieser Entwicklung hege ich inzwischen auch keine Zweifel mehr. Damit ist dann auch schon entschieden, dass die bis dahin bereits zentrierte, angesammelte Kaltluft nachfolgend ausbrechen wird. Die Frage war ja, wohin wird die Stoßrichtung gehen: nach Nordamerika oder nach Europa. Da sich über Nordamerika der Hochdruck noch verstärken wird, wird dorthin nicht viel Kaltluft abgeführt werden können. Der Weg der Kaltluft geht dann unweigerlich nach Süden. Damit bestätigt sich dann also auch meine zweite wesentliche Annahme, die ich mit einer Wahrscheinlichkeit von 55% angegeben hatte. Doch damit nicht genug. Eine dritte Annahme war, dass sich kurz nach der Wanderung des Polarwirbelkerns vom Nordpol nach SO die Möglichkeit für eine Dipolbildung über Nordamerika entwickeln könnte. Und das hat heute erstmals auch ECMWF in den Berechnungen und zwar für den 24. Januar. Demnach wird weit im Westen der USA sich ein schwacher Dipol ausbilden, der zwar nur von kurzer Lebenszeit sein soll, aber durch das Entstehen bereits einen wichtigen Baustein für die weitere Entwicklung vorhalten soll. Wir schauen auf den simulierten 24. Januar:
24.01.2017 ecmwf100+216h schwacher Dipol West NA.gif (Größe: 103,43 KB / Downloads: 332)
Zwischen dem schwachen Dipolkern und dem starken Wirbelkern über Russland wölbt sich Hochdruck auf. Und genau hier beginnt die Entwicklung für die Großwetterlagen der Nordhalbkugel für die nachfolgenden Tage. Denn aus dieser Lage heraus verändert sich der Polarwirbel in seiner Form und Ausdehnung. Es bildet sich allmählich eine Ellipse aus, die von Sibirien nach Skandinavien reichen wird. Diese Konstellation befördert die Kaltluft aus der zentralen Arktis nach Süden und in unsere Richtung. Im ersten Schritt wird die Kaltluft auf den Atlantik getrieben. Das sehen wir schon im Ansatz in der Simulation für den 25. Januar 2017:
25.01.2017 ecmwf100+240 h Trog Atlantik Hoch Südeuropa Nordafrika.gif (Größe: 102,55 KB / Downloads: 331)
Diese Lage wäre der Beginn eines ersten kräftigen Kaltluftausbruchs nach Süden, der auf den Atlantik trifft. Eine starke Tiefdruckentwicklung wäre das Ergebnis. Parallel würde sich über Südeuropa bis hin nach Nordafrika zumindest vorübergehend Hochdruck ausbilden können. Die entscheidende Frage ist aber, wird sich der Atlantik dadurch insgesamt wieder aktivieren und gelangen wir in eine nachhaltig milde südwestliche Anströmung, wie es derzeit in den Wettermodellen schon simuliert wird?
Die Antwort ist: nein nicht nachhaltig. Es wird aber eine Milderung geben, auch mit südwestlicher Anströmung möglich. Aber nicht lange. Und das erkläre ich nun mit visueller Unterstützung der Modellkarten von GFS. Warum also keine dauerhafte Südwestdüse?
Nun, unser Winterwetter wird diesmal in Nordamerika gebastelt. Denn dort entwickelt sich entscheidend Hochdruck, zuerst im Westen, dann wandert er in die Mitte von Nordamerika und schließlich bis Neufundland. Und dort an dieser Stelle liegt er für uns - respektive für einen
nicht erwachenden Atlantik - genau an der richtigen Stelle. Wir können diese Hochdruckentwicklung auch in der Stratosphäre verfolgen anhand der Simulationen von GFS. Ich mach es kurz und zeige gleich die letzte Berechnung für den 26.01.2017:
26.01.2017 gfs 100hpa+240h Hoch NA Trog Atlantik.png (Größe: 81,02 KB / Downloads: 331)
Hier liegt in der Mitte von Nordamerika der Hochdruck. Über den Atlantik geht der Kaltluftausbruch. Aufgrund der Dynamik wandert das Hoch über Nordamerika weiter nach Osten auf Neufundland zu. Das wird bis zum Monatsende erfolgt sein. Parallel wird die Ellipse im Polarwirbel von Sibirien bis nach Skandinavien ausgebildet. Und der Trog Atlantik wandert dadurch direkt auf Europa zu. Das sollte bis zum Monatsende vollzogen sein. Für uns in Deutschland beginnt dann eine Wetterphase mit NW-Anströmung und Tiefdruckdurchgängen von Polartiefs. Das darf man mit starken Schneefällen, aber auch Wind in Verbindung bringen.
Unterstützt wird diese winterliche Entwicklung zusätzlich durch eine plötzliche stratosphärische Erwärmung (SSW), die sich ja bereits abgezeichnet hat - ich habe darüber berichtet und Frosty Sam und Oliver haben im Diskussionsthread schöne Updates dazu geschrieben:
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Ergänzend dazu noch die Temperaturentwicklung oben in 01 hpa bis zum 14. Januar, die den typischen ersten Temperatureinbruch zeigt, der aber schon überstanden ist. Es wird vermutlich noch mindestens einen weiteren Unterbruch geben.
01hpa Temp bis 14.01.2017 erster Unterbruch beendet.png (Größe: 22,91 KB / Downloads: 331)
Das sieht nicht schlecht aus und die Wahrscheinlichkeit für einen nach unten durchgreifenden SSW zum Monatsende hin wird ständig größer.
Diese rasche Erwärmung wird uns - wenn sie denn wirklich so kommen wird - vermutlich genau zur rechten Zeit in die Winterpläne spielen können. Denn die Lage und die Stärke des Polarwirbels in der Stratosphäre würde einen Polarwirbelsplit durch ein SSW wenig wahrscheinlich werden lassen. Er wäre bereits verschoben und würde durch die Erwärmung an seinem Platz quasi festgezurrt, wohl für längere Zeit! Denn die Wärme von oben würde sich nicht zentral am Pol ansammeln, wo sie den Wirbel nach und nach teilen könnte, sondern nach Nordamerika wandern und dort den Hochdruck betonieren. Ich zeige das mal anhand der Simulationen von GFS, die die Temperaturen zeigen. In 100 hpa soll die entscheidende Wärmeblase nämlich am 26.01.2017 schon dort liegen:
26.01.2016 gfs 100 hpa +240h Wärmeblase wandert NA.png (Größe: 101,74 KB / Downloads: 332)
.. und sie würde weiter wandern bis vor Neufundland/Grönland. Idealer Platz, um den Atlantik und eine Westlage auszuknipsen.
Am selben Tag finden sich in den oberen Stockwerken der Stratosphäre ebenfalls starke Erwärmungen, wie es sich für einen ausgewachsenen SSW gehört:
10 hpa, schicke Erwärmung, mindestens dann ein Minor-Warming:
26.01.2016 gfs 10 hpa +240h SSW.png (Größe: 99,93 KB / Downloads: 331)
und ganz oben in 01 hpa immer noch weitere Erwärmungsimpulse:
26.01.2016 gfs 01 hpa +240h SSW.png (Größe: 86,92 KB / Downloads: 332)
Ob das dann für einen Major SSW reichen wird, ist aber zweifelhaft, da eine Windumkehr in 10 hpa nicht sicher ist, eher wohl nicht. Doch ein Minor-SSW kann auch für eine Weile einiges bewirken, gerade auch, weil die Konstellation gerade für uns sehr günstig ausschaut.
Noch ein Wort zu Grönland. Dort hat sich inzwischen die Massebilanz weiter ins Positive erhöht. Rund 130 Gt zum Durchschnitt haben sich bereits ergeben, was Rekord seit Aufzeichnung bedeutet. Ganz aktuell hat sich wieder ein kräftiges Schneefallereignis abgespielt, was die Massebilanz um fast 8 Gt gepusht hat. Sieht man hier:
Grönland Massebilanz 15.01.2017.jpg (Größe: 132,23 KB / Downloads: 331)
Das spielt uns nun auch noch in die Hände, denn der massenhafte Neuschnee, der gerade gefallen ist, wird in der Schneetemperatur heruntergekühlt und dabei wird Wärme frei - viel Wärme! Und diese Wärme steigt auf und wird über Grönland den Hochdruck zusätzlich begünstigen. So könnte oder sollte sich zusammen mit dem Hochdruck über Nordamerika eine extreme Wärmeanomalie ergeben, was kräftigen und anhaltenden Hochdruck bedeuten wird. Und falls auch über Grönland der Hochdruck dominant bleibt, werden die Tiefs weiter nach Osten verschoben mit der Zugrichtung direkt auf Mitteleuropa zu - Jackpot!
Puhh, das war jetzt doch viel mehr, als ich schreiben wollte. Aber wenn ich erst einmal dabei bin und genug Zeit und Kraft habe, dann kommt so etwas dabei heraus.
Fazit: Wir kommen nach kurzer Milderung erneut in eine hochwinterliche Wetterlage. Auch dabei wird es Warmfronten geben, aber anschließend erhebliche Kaltfronten. Ohne SSW wird sie bestimmt eine Woche anhalten, vielleicht 10 Tage. Mit SSW bekommen wir eine sehr winterliche erste Februarhälfte. Das ist alles ziemlich weit weg und auch ziemlich schwer zu erfassen. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich für das Eintreffen dieser Vorausschau. Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt aktuell gute 55%. Für die sehr milde Variante mit einem erstarkenden Atlantik und nachhaltiger SW-Düse liegt die Wahrscheinlichkeit immerhin auch noch bei 30%. Und 15% verbleiben für eine "Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Lösung", bei der wir einen gedämpft auflebenden Atlantik erleben würden mit rasch wechselnden Großwetterlagen.
Danke für das treue Lesen und auch für alle Statements und Lob etc. Ich freue mich, wenn Ihr es verstanden habt, was ich hier zu erklären versuche. Und wenn es dann auch weiterhin so kommt, wie ich es annehmen konnte, dann wär´s jede Arbeit wert gewesen.
Schöne Woche Euch allen! Ich gehe dann mal wieder raus in die Sonne und in den Schnee und an die superfrische Luft!