Dominik90 schrieb:Hallo Leute,
ich dachte, ich eröffne mal das Thema da es noch keines gab bisher.
Vielleicht haben der ein- oder andere auch diese Saison wieder Lust- und Zeit zusammen über den Polarwirbel zu diskutieren!
Grüßt Euch!
Nun kann man schon mal den einen oder anderen Blick auf die Entwicklung in der Stratosphäre wagen. Vorweg aber aus dem Nachbarthread meine Prognose vom 17. Oktober für den kommenden Winter. Daraus der Teil mit dem Polarwirbel:
Heinrich schrieb:...Dann schauen wir aber mal, was La Nina für den Polarwirbel bedeuten könnte. Bei La Nina werden warme Wassermassen weit über den Äquator nach Norden gedrückt im Atlantik. Je wärmer das Wasser in den mittleren Breiten ist, umso größer kann die Temperaturdifferenz zwischen Polargebiet und mittlere Breiten werden. Das wiederum bedeutet, dass der Jetstream signifikant stärker werden würde. Ein starker Jetstream hält die Kälte dort gefangen, wo sie (wie üblich) entstanden ist, also in der Arktis, Kanada und Sibirien. Am Anfang aber zunächst hauptsächlich Arktis und Grönland, denn dort ist es schon kalt. Das spricht schon eher für eine satte Westdrift in unseren Breiten im November und vor allem Dezember. Sobald sich Sibirien und Kanada als Kälteproduzenten hinzugesellen, bringen sich Hochdruckgebiete ins Spiel, vor allem das Russlandhoch mit seinen diversen Facetten. Der Aufbau solcher Hochdrucklagen benötigt allerdings auch Zeit und so könnte man spekulieren, dass vor Januar/Februar für unsere Breiten ein mächtiges Russlandhoch kaum zu erwarten ist. Ganz oben in der Stratosphäre gibt es bei Hochdruck-Störungen (denn diese stören die Westdrift) nach oben gerichtete Schwerewellen, die dann im Zusammenspiel mit der stratosphärischen Chemie (Ozon) dort zu einer Erwärmung führen. Da dieser auslösende Hochdruck bei einer starken La Nina erst im Januar zu erwarten ist, wird man auf ein SSW-Ereignis vermutlich bis Ende Januar warten müssen. Bis dahin sollte sich der stratosphärische Polarwirbel außerordentlich gesund und kräftig darstellen können, also wenig Störungen, bestenfalls aus der Troposphäre in die unterste Stratosphäre getriggert mal eine etwas längere Dipolsituation im November/Dezember oder ein kurzer Polarwirbelsplit zwischen Grönland und Sibirien Anfang Januar. Von oben dürfte da kaum etwas kommen können - wenn es eine starke La Nina geben wird.
So blieben die Monate Februar und vielleicht noch März für ein echtes Kälteereignis übrig. Mit Pech oder Glück fällt aber ein starker SSW komplett aus oder tangiert nicht uns sondern Nordamerika. Für Nordamerika spricht allerdings, dass sich vor der Westküste von Nordamerika eine deutliche negative Anomalie im Pazifik ausgebildet hat, die ziemlich sicher den Winter anhalten wird. Diese negative Anomalie ist Ausdruck einer negativen PDO, die wir ja auch schon lange nicht mehr hatten. Das könnte zu mehr Hochdruck über den Aleuten sorgen und dann strömt die Kaltluft aus Sibirien und der Zentralarktis nach Nordamerika und nicht in unsere Richtung. Alles könnte, nichts ist sicher.
Tja, und dann ist da noch auf der ganz anderen Seite der Erde die Antarktis, die in diesem Jahr während der 6 Monate ohne Sonnenaufgang einen absoluten Kälterekord hingelegt hat mit einer durchschnittlicher Mitteltemperatur von unter -60°C, so kalt war es dort seit Aufzeichnungsbeginn 1957 noch nicht, was man auch an der Meereisbedeckung erkennen konnte, die zwischenzeitlich zu den höchsten aller Jahre zählt. Warum erwähne ich das? Weil die Begründung für die Extremkälte dort im extrem starken winterlichen stratosphärischen Polarwirbel der Südhalbkugel zu finden ist. Die Kälte wurde durch den starken Polarwirbel in der Antarktis festgehalten und konnte nicht ausbrechen. Das erwähne ich also im Kontext, dass ich davon ausgehe, dass auch der Polarwirbel der Nordhemisphäre in diesem Winter ein sehr starker werden dürfte. Und das bedeutet auch auf unserer Halbkugel, dass die Kälte gut zusammengehalten werden dürfte und wenig nach Süden ausbrechen kann.
Fazit meiner Prognose für mein Ego und zur Diskussion für Euch: Dezember eher zu warm (Westdrift), aber mit guten Schneeoptionen im höheren Bergland, Januar eher durchschnittlich temperiert, Februar entweder durchschnittlich temperiert (leicht zu warm) oder richtig kalt. März eher zu kalt...
Meinen Gruß!
Fett unterlegt habe ich die Worte, die jetzt interessant werden können, wenn wir auf den stratosphärischen Polarwirbel schauen. Aktuell ist der Polarwirbel gut entwickelt und gut vertieft. In der untersten Stratosphäre spiegelt sich die Troposphäre, also unsere Wetterküche. Zeigt sich in der untersten Stratosphäre ein gut ausgebildeter, runder winterlicher Polarwirbel, dann bedeutet das, dass in der Troposphäre die Kaltluftmassen über der Zentralarktis und Grönland festgehalten werden und sich entsprechend der Dauer dieses Zustands immer stärker ausbilden können. Kaltluftausbrüche sind dann nur an den Rändern zu beobachten und sind nicht massiv. Der Jetstream, der auch die Frontalzone ausbildet, verläuft dann um das Kaltluftpolster herum und nimmt wegen der zunehmenden Temperaturdifferenzen zu den mittleren Breiten an Fahrt auf. Je stärker er wird, umso mehr wird die Kaltluft im Zentrum des Polarwirbels gehalten. Im Idealfall würde dadurch die Kaltluftmasse im Inneren des Polarwirbels extrem zunehmen und der Jetstream würde mit gewaltiger Energie um diese Kaltluftmassen entgegen dem Uhrzeigersinn herumstürmen. Allerdings geht das auf der Nordhalbkugel nur bedingt, denn die Geographie (Orographie) setzt dieser möglichen theoretischen Entwicklung Grenzen. So kommt es stetig zu Störungen gegenüber dem Idealfall und das führt zu Wellenbewegungen des Jetstreams, wir sprechen dann vom Mäandern. In diesen Wellen wird Kaltluft nach Süden verfrachtet und Warmluft nach Norden. An der Frontalzone befindet sich die bewegliche Grenze zwischen Warm- und Kaltluft. Befinden wir uns südlich der Frontalzone (also auch des Jetstreams), dann sind wir auf der Warmen Seite. Liegen wir unter der Frontalzone, also unter dem Jetstream, dann sind wir genau unter der Grenze und bekommen das besonders durch starke Winde und heftige Wetterkapriolen zu spüren. Kommen wir auf die nördliche Seite, dann wird es spürbar kälter...
Nach dem kleinen Ausflug in den Erklärungsmodus wollen wir mal auf die aktuelle Lage in 100 hpa, also der untersten Stratosphäre schauen:
09.11.2021ecmwf100a12.png (Größe: 234,57 KB / Downloads: 441)
Wir sehen einen stratosphärischen Polarwirbel, der der Jahreszeit entsprechend gut ausgebildet ist. Er ist rund und gesund und es herrscht ein ungestörter Westwind.
Von oben aus der Stratosphäre ist noch nichts zu erwarten, die Jahreszeit dafür kommt erst noch. So kann man nur schauen, ob es aus der Troposphäre einen Impuls in die untere Stratosphäre geben könnte. Und da zeigt sich für den 14. November dann auch eine Störung, die durch den Hochdruck Skandinavien in die Stratosphäre wirken soll. Hier gut zu erkennen:
14.11.2021ecmwf100f120.png (Größe: 237,09 KB / Downloads: 440)
Nun dellt das Hochdruckgebiet der Troposphäre den bisher runden Polarwirbel in der untersten Stratosphäre deutlich ein und drückt kräftig gegen die Drehbewegung des Polarwirbels. Das endet, wenn es lange genug andauert, in einer stärkeren Störung des Polarwirbels, was man dann in einem Dipol (ein zweiter, schwacher Wirbel) sehen würde. Dies zeigt ECMWF dann auch für den 19. 11.2021:
19.11.2021ecmwf100f240.png (Größe: 240,45 KB / Downloads: 444)
Das Zentrum des Polarwirbels liegt auf der nordamerikanischen Seite (Kennzeichen L für LOW), über Russland zeigt sich dagegen ein schwacher Dipol, was der Vorläufer zu einem eigenständigen Polarwirbel werden kann, wenn die Störung lange genug anhalten würde und stark genug wäre.
Naja, die Störung wird wohl nicht stark genug sein, dafür ist der Westwind in der untersten Stratosphäre zu kräftig und das Hochdruckgebiet der Troposphäre nicht stark genug und vermutlich deshalb auch nicht von langer Lebensdauer. Die Konstellation um den 20. November zeigt anhand dieser Berechnungen eher das Aufleben der Westdrift, was den Hochdruck nach Osten verschieben würde. Der Dipol in der untersten Stratosphäre würde sich entweder weit nach Osten verlagern oder aber - wahrscheinlicher - bald wieder auflösen. Das Zentrum des Polarwirbels dürfte dadurch etwas nach Osten wandern können, also wieder sehr zentral liegen und damit sich mächtig verstärken können...
Die Saison ist dann also eröffnet. Im Moment kann ich keinen vorgezogenen Wintereinbruch für unser Forums-Gebiet erkennen, jedenfalls nicht anhand der hier dargestellten Berechnungen von ECMWF.
Meinen Gruß!