Schwabenland schrieb:Welche Signale aus der Natur siehst du?Zum Beispiel grünen die Eschen vor den Eichen und andere Dinge? Ich weiß ich bin neugierig, aber ich mag immer deine Beiträge mit Deutungen aus der Natur, das lese ich sehr gerne.
Grüß Dich Schwabenland!
Auch wenn sicher viele Menschen nicht glauben können/wollen, dass man anhand von Signalen aus der Natur ein Stück weit in die Wetterzukunft schauen kann, möchte ich Dir Deine Fragen beantworten.
Nicht Esche oder Eiche sind für den zu erwartenden Hochdruck ab etwa dem 25. Mai Signalgeber. Auch keine andere Bauernregel muss herhalten. Ein für mich immer sicherer Signalgeber ist die Große Brennnessel (Urtica Dioica). Es gibt unter den Großen Brennnesseln diverse Wildformen, die sich teils erheblich voneinander unterscheiden. Manche mögen den Halbschatten, manche lieben die sonnigen Plätze, manche haben gern feuchte Füße, andere ziehen trockenere Böden vor. Manche wachsen 3 Meter hoch, andere werden keinen Meter. Es gibt Formen mit stets grünem Stängel, andere mit nur roten und selten auch welche, die grüne und rote Stängel kombinieren (gesteift) oder noch seltener auch solche, die ganze Abschnitte grüne Stängelabschnitte bilden und dann plötzlich rote. Und um die letztere Form geht es in diesem Fall. Wenn man weiß, dass der rote Farbstoff Anthozyan ist und weiß, dass Anthozyan auch in Sonnenschutzcremes für hohen Sonnenschutzfaktor eingesetzt wird, dann beginnt man zu verstehen, dass die Pflanze den roten Farbstoff nicht aufgrund von Farbenlehre oder um anzugeben einsetzt, sondern um sich vor ultravioletter Strahlung hoch effizient zu schützen. Interessanterweise hat die Evolution gerade bei Urtica Dioica diesen Schutzmechanismus perfektioniert. Die Schatten liebenden Wildformen bilden praktisch keinen roten Farbstoff aus, die Stängel bleiben grün. Setzt man sie aber in die Sonne um, dann bilden sie beim Neuauswuchs rote Stängel aus. Nun gibt es männliche, weibliche und zwittrige Formen. Die seltenen zwittrigen (also sowohl männliche als weibliche gleichzeitig), die nicht an schattigen Standorten gedeihen, haben eine Besonderheit entwickelt: sie bilden von Beginn an rote oder grüne Stängel aus, die die kommende Witterung vorwegnehmen, nicht zufällig, sondern immer. Für trübe und feuchte Witterung bildet die Pflanze 10-14 Tage vorher stets grüne Stängel aus, nicht den Hauch von rotem Farbstoff. Man kann die Uhr danach stellen: bildet sie rote Stängelabschnitte aus, dann ändert sich die Wetterlage in 10 bis 14 Tagen zu Hochdruck und damit mehr ultravioletter Strahlung. Die neuen, frischen Triebe sind der Sonne am stärksten ausgesetzt und benötigen deshalb den größten Schutz. Die grünen Stängelanteile werden praktisch überwuchert und bekommen Schatten durch die wachsende Pflanze selbst. Bildet die Pflanze dann wieder grüne Stängelabschnitte neu aus, dann wechselt die Witterung auf trüber und feuchter, was wir mit Tiefdruck kennzeichnen. So funktioniert das wie ein Schweizer Uhrwerk bis Mitte Juli. Dann werden nur noch rote Abschnitte produziert und das Wachstum wird stark reduziert. Allerdings ist im Juli auch meist die maximale Wuchshöhe (auch über 3 Meter) erreicht und die Pflanze geht in eine Ruhephase. Nur abgeknickte oder abgebrochene Stängel bekommen nochmals einen Notaustrieb, meist gleich mehrere schwache Austriebe aus dem abgebrochenen Abschnitt heraus...
Lange Rede kurzer Sinn: meine auf meinem Grundstück wachsende zwittrige Urtica Dioica bildete bis etwa dem 15. Mai ausschließlich grüne Stängelabschnitte. Seit dem 15. plötzlich bei allen zwittrigen Pflanzen gleichzeitig nur noch rote Abschnitte. Daraus ist zu schließen, dass nach 10-14 Tagen nach Beginn des Farbwechsels auf rot Hochdruck dominieren wird. Und das wäre dann also ab dem 25. Mai bis 29. Mai. Die Pflanze hat sich seit 25 Jahren nie geirrt, sie weiß es einfach vorher, was kommt.
Ein weiteres Signal haben in diesem Jahr tatsächlich die Erdkröten gegeben. Sie haben nämlich am 10. Mai ein zweites mal gelaicht. In den über 45 Jahren, seitdem ich Naturbeobachtungen aufschreibe, ist das nur 3 mal geschehen, dass so spät (7 Wochen nach dem ersten Ablaichen und der großen Krötenwanderung) im Jahr nochmals gelaicht wurde. Doch das ist nur Nebensache. Wenn die Erdkröten laichen herrscht Wetter mit rund 1015 hpa Luftdruck, wenn sie gelaicht haben, gibt es nach 2-3 Wochen zu 85% Hochdruckwetter. Das gilt bisher auch für die verspäteten Laichzeiten im späten April oder Anfang Mai. 10. Mai ist rekordspät in den 45 Jahren, aber das passt ja auch zum bisherigen Frühlingsverlauf. Also auch hier wird ab dem 24. bis 31. Mai Hochdruckwetter angezeigt.
Und so weiter, es gibt viele Signale aus der Natur, die man allerdings erst deuten lernen muss, heißt Jahrzehnte beobachten und alles aufzeichnen, was einem auffällt und auch, was scheinbar unwichtig sein könnte. Es gibt so viele Überlebensstrategien in der Natur, irre viele Vernetzungen zwischen den Pflanzen untereinander und auch zu vielen Tierarten oder zu Pilzen... Man wird nie fertig mit dem Lernen und stirbt irgendwann trotzdem mehr unwissend als wissend. Leider teile ich dieses rein wissenschaftliche, völlig unökonomische Interesse mit nur wenigen anderen Menschen und wir sind zudem räumlich sehr weit entfernt. Dazu gehört z.B. ein betagter Chinese aus der Provinz Xingiang im Westen von China. Er ist Experte für Faserpflanzen, wie Flachs, Hanf oder die Sibirische Fasernessel. Mit weit über 85 Lenzen hat er ein gewaltiges Wissen über und von der Natur aufgebaut - und wird, wie es auch hierzulande üblich geworden ist, von den jüngeren Leuten als Spinner verlacht. Wir tauschen uns bisher jedes Jahr aus seit dem Jahr 2000 und wundern uns beide, wie viel Parallelen wir beide in der Natur finden konnten. Doch das ist ein ganz anderes Thema.
Meinen Gruß!